Das Statistikportal nationmaster.com hat untersucht, wie viele Tage im Jahr Arbeitnehmer in den verschiedenen Ländern aufgrund von Streikmaßnahmen durchschnittlich ausfielen (Untersuchungszeitraum: 1996 bis 2000). Von 26 untersuchten Ländern nehmen die USA Platz 11 ein (60 Ausfalltage pro 1.000 Beschäftigte), Deutschland liegt auf Platz 24 – mit nur 2 Ausfalltagen pro 1000 Beschäftigte. Für alle, die sich für Trivialwissen interessieren: Spitzenreiter ist Dänemark mit 296 Tagen.
Dass Deutschland streikbedingt nur wenige Tage „verliert“, überrascht keineswegs. Anders als in den USA gibt es hierzulande keine engen Verbindungen zwischen Gewerkschaften und der Mafia. Darüber hinaus sind hiesige Gewerkschaftsmitglieder in den Führungsetagen börsennotierter Unternehmen vertreten und somit auch in die Tarif- und Vertragsentscheidungen großer Unternehmen einbezogen.
Das bedeutet letztendlich, dass Arbeitnehmerinteressen bei Unternehmensentscheidungen stärker berücksichtigt werden. Zudem haben in Deutschland die Gewerkschaften immer das Land unterstützt auf dem Weg zu nichtinflationärem Wachstum. Und sie haben in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs massiven Beschäftigungsabbau verhindert (ein integraler Bestandteil der Arbeitsmarktflexibilität in Deutschland, aber das ist eine andere Geschichte).
Aktuell scheint es in Deutschland jedoch sehr viele Streiks zu geben. Die Deutsche Bahn (DB) streikt, vor wenigen Monaten waren es die Piloten der Lufthansa. Und es gibt noch einen anderen relativ großen und unbefristeten Streik, der in der Presse aber nicht so hohe Beachtung findet und mittlerweile schon in die dritte Woche geht: Den der Erzieherinnen und Erzieher in kommunalen Kindertagesstätten. Von diesem Streik sind Kinder ab etwa einem Jahr bis zur vierten Klasse betroffen.
Wenn die Lufthansa-Piloten streiken, buche ich bei einer anderen Fluglinie, sammle woanders Vielflieger-Meilen und entscheide später, welcher Anbieter mir am besten gefällt. Das könnte für Lufthansa unangenehm werden. Bei der Deutschen Bahn bin ich als Endverbraucher etwas eingeschränkter, aber es gibt doch noch einige Züge, die planmäßig fahren. Besser als nichts. Letztlich kann ich immer noch arbeiten, auch wenn einige von der Bahn wirklich Abhängige extrem stark betroffen sind. Durch den Streik der Erzieherinnen und Erzieher aber stehen die Eltern tatsächlich im Regen. Es ist nicht absehbar, dass wir dies mit anderen Lösungen lange werden durchstehen können (etwa dadurch, dass sich Eltern mit der Betreuung der Kinder abwechseln).
Und man kann auch nicht einfach Vertretungskräfte einstellen, denn die staatlich vorgeschriebene Lehr- und Ausbildungszeit für diesen Beruf umfasst mehrere Jahre. In den letzten Jahren hat Deutschland stark in Anreize zur Erhöhung der Geburtenrate investiert. Jetzt sind diese Kinder da, aber keine Tagesstätten, was beide Elternteile bei der Ausübung ihrer Berufe negativ beeinflusst. Darunter leiden sowohl die Eltern wie auch ihre Arbeitgeber und vor allem die Kinder – es fehlen Sozialkontakte, Lernförderung etc.
rbb-online.de berichtet, dass etwa 17.500 deutsche Kindertagesstätte bestreikt werden. Setzt man durchschnittlich 60 Kinder pro KiTa an, reden wir von etwa einer Million Kinder (rbb-online geht von insgesamt ca. 50.000 KiTas in Deutschland aus, die von ca. 3,2 Millionen Kindern besucht werden). Nehmen wir einmal an, dass pro Kind nur ein Elternteil von dem Streik betroffen ist und gehen wir von etwa 40 Millionen Beschäftigten in Deutschland aus: Dann befinden sich mindestens 2,6 Prozent der arbeitenden Bevölkerung in der Geiselhaft ihrer eigenen Kinder, ohne dass zwischenzeitlich zwischen den Bundesländern und der streikenden Gewerkschaft Gespräche aufgenommen wurden.
Damit stellt sich die Frage: Wann kann die deutsche Bundesregierung eingreifen, den Streik beenden und so verhindern, dass Arbeitgeber und die Wirtschaft in Geiselhaft bleiben? Oder ist sie machtlos? Ich gehe einmal davon aus, dass die entsprechenden Amtsträger sich nicht zu Hause um ihre Kinder kümmern müssen?! Ich würde gern Ihre Meinung über den Streik erfahren.