Schon als sich 1957 sechs europäischen Staaten in der EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) zusammenschlossen, war man im United Kingdom skeptisch gegenüber der Idee eines gemeinsamen Europa. Als die Londoner Regierung Jahre später den Erfolg der Vereinigung erkannte und Beitrittsverhandlungen initiierte, legte Frankreich mehrmals sein Veto ein. 1973 schließlich trat das Vereinigte Königreich der EWG bei. Doch ob das Festhalten an der eigenen Währung, regelmäßig wiederkehrende Austrittsgedanken oder die aktuelle Diskussion um Finanzhilfen für Griechenland – auch als EU-Mitglied ist das United Kingdom der „Bad Guy“ Europas.
Warum sich das Vereinigte Königreich und die kontinentaleuropäischen EU-Länder trotzdem gegenseitig brauchen: Darüber sprach Paul Heardman, britischer Generalkonsul für Bayern und Baden-Württemberg, vor Studierenden der Munich Business School (MBS). Der Experte für europäische Fragen bekleidet das Amt seit 2012 und ist bereits über 20 Jahre in verschiedenen Funktionen im britischen Staatsdienst tätig.
Euro-Skepsis vs. Integration
Zu Beginn seines Vortrags skizzierte Paul Heardman die Rolle des Vereinigten Königreichs in Europa. Dabei ging er unter anderem auf die die geographische Sonderstellung Großbritanniens ein und auf das historisch schwierige Verhältnis zu anderen wichtigen EU-Staaten, unter anderem Deutschland.
Heardman sagte, dass das Vereinigte Königreich die Vorteile der Institution EU durchaus schätze, eigene Interessen aber im Vordergrund stehen – was jedoch keine Besonderheit darstellt: „Kein Staat stellt EU-Interessen über seine eigenen“, so der britische Generalkonsul. „Die Menschen im Vereinigten Königreich sind der Meinung, dass wir nicht zu viele Machtbefugnisse an Brüssel abgeben sollten. Das respektieren wir und das beeinflusst natürlich auch unsere EU-Politik.“
Auf die Frage eines Studierenden, ob er die EU für erfolgreich halte, antwortete Heardman mit einem klaren Ja: „Wir profitieren sehr vom internationalen Austausch, der in der EU stattfindet. Internationalität hat in unserer Politik traditionell immer eine große Rolle gespielt: Unsere Kultur, unsere Gesellschaft – der internationale Einfluss ist ein wichtiger Bestandteil des Vereinigten Königreichs.“
Internationale Perspektiven
Wie aktuell die Debatte um die Rolle des Vereinigten Königreichs in der EU ist, wurde durch die angeregte Diskussion deutlich, die dem Vortrag folgte. Paul Heardman beantwortete geduldig die zahlreichen Fragen der Studierenden. In Redebeiträgen von Diskussionsteilnehmern aus mehreren EU-Ländern, Asien oder den USA zeigte sich, wie viele verschiedene Sichtweisen es zum Thema gibt. So wurde einmal mehr klar, wie schwierig komplexe internationale Zusammenhänge sein können – und dass auch die „Bad Guys“ im Vereinigten Königreich echte Europäer sind.