Schon heute fehlen in Deutschland qualifizierte Arbeitskräfte, angefangen im Handwerk bis hin zu den akademischen Berufen. Und die Zahl der Erwerbsfähigen wird noch weiter abnehmen, wenn die Generation der so genannten „Baby-Boomer“ in den nächsten 10 bis 15 Jahren das Rentenalter erreicht. Experten haben errechnet, dass Deutschland jährlich über eine halbe Million Zuwanderer benötigt, die den Fachkräftemangel mit ihrer Arbeitskraft ausgleichen – und so das deutsche Wohlfahrtssystem am Laufen halten.
Als „Idealzuwanderer“ im Sinne des deutschen Arbeitsmarktes zählen hierbei internationale Studierende: Sie sind meist hoch qualifiziert, sprechen neben ihrer Muttersprache in der Regel mindestens Englisch und eignen sich früh ein überdurchschnittliches kulturelles Verständnis an. Und vor allem Deutschland ist für Studierende aus aller Welt ein beliebter Studienort.
Das klingt erst einmal nach einer perfekten Symbiose zwischen internationalen Studierenden, den deutschen Hochschulen und dem deutschen Arbeitsmarkt. Das Problem dabei: Obwohl zwei Drittel der internationalen Studierenden nach ihrem Abschluss gerne in Deutschland bleiben und arbeiten möchten, verlassen die meisten das Land wieder. Der Hauptgrund: Sie scheitern am Übergang vom Studium zum Berufsleben. Das hat eine aktuelle Studie ergeben, durchgeführt vom Forschungsbereich des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR).
Internationale Studierende in Deutschland: Tendenz steigend
Derzeit sind etwa 218.000 internationale Studierende an deutschen Hochschulen eingeschrieben (Stand WS 2013/14), bis zum Jahr 2020 werden ca. 240.000 von ihnen einen Abschluss in Deutschland machen. Diese Zahlen spiegeln einen Trend wieder: Demnach sind deutsche Hochschulen bei den internationalen Studierenden in den letzten Jahren immer beliebter geworden, Tendenz steigend.
Nach erfolgreichem Studium sind die rechtlichen Möglichkeiten für die internationalen Studierenden hierzulande übrigens durchaus großzügig: 18 Monate haben Absolventen Zeit, nach dem Studium eine Festanstellung zu finden oder als Selbstständige zu arbeiten. Im sehr toleranten Schweden beispielsweise sind es nur sechs Monate.
Vielfältige Gründe für das Scheitern
Dennoch suchen 30 Prozent der internationalen Absolventen mindestens ein Jahr nach einem Job. Die Studie kommt zum Ergebnis, dass in mehr als zwei Drittel der Fälle fehlende Kenntnisse der deutschen Sprache der ausschlaggebende Grund sind, dass die frischgebackenen Arbeitskräfte keine Anstellung finden. Das deckt sich auch mit meinen Erfahrungen, die ich als Leiter des Career Center an der Munich Business School tagtäglich mache. Speziell in betriebswirtschaftlichen Feldern wie Vertrieb oder Marketing, wo solide Deutschkenntnisse essenziell sind, haben internationale Studierende Schwierigkeiten, Stellen zu finden.
Es gibt aber einfache Wege, der Sprachbarriere entgegenzuwirken. Um die Sprachkompetenz der internationalen Studierenden zu optimieren, bieten wir an der MBS während des Semesters durchgehend Deutschkurse an. In der vorlesungsfreien Zeit gibt es zudem das Angebot, an Intensivkurse zu besuchen.
Betreuung ab dem ersten Semester
Der nach der Sprache zweithäufigste Grund dafür, dass internationale Absolventen am Übergang zum Berufsleben scheitern, liegt laut der Studie an den fehlenden Erfahrungen und Kenntnissen des deutschen Arbeitsmarktes. Das beginnt schon beim Bewerbungsverfahren: Wie sieht hierzulande eine ordentliche Bewerbung aus? Welche Formalitäten müssen Bewerber beachten?
Die Studie kritisiert, dass die Hochschulen in Gestalt ihrer Career Center und International Offices zwar Unterstützung anbieten, aber meist erst gegen Ende des Studiums und nur selten zugeschnitten auf internationale Absolventen. Ich teile diese Kritik und bin der Meinung: Die Studierenden müssen bereits zu Beginn Ihres Studiums und dann über die ganze Dauer hinweg individuell betreut werden. Nur so können sie nach und nach wertvolle Erfahrungen sammeln – und sich ein sicheres Auftreten gegenüber Arbeitgebern aneignen. Das geschieht etwa durch Bewerbungstrainings, -coachings und berufsvorbereitende Praxisprojekte, die dann in der Folge den Zugang zu karriereoptimierenden Praktika ermöglichen. Optional bieten wir unseren internationalen Studenten persönliche Coachings an, die Rücksicht nehmen auf den individuelle Charakter und die Herkunft sowie auf den kulturellen Wechsel.
Berührungsängste bei den Arbeitgebern
Ein weiterer Faktor, der den internationalen Studierenden den Berufseinstieg in Deutschland erschwert, ist die Zurückhaltung der Arbeitgeber. Während große Firmen Routinen entwickelt haben und aktiv auf internationale Absolventen zugehen, haben vor allem kleine und mittlere Unternehmen oft große Schwierigkeiten. Sie haben ihrerseits kaum Erfahrungen, wie mit den „Idealzuwanderern“ umzugehen ist: Wie man sie anspricht, was ihnen bei der Berufswahl wichtig ist etc. Hinzu kommt, dass diese Unternehmen häufig nicht ausreichend über rechtliche Bestimmungen informiert sind und zusätzlichen Verwaltungsaufwand befürchten, sollten sie internationale Absolventen einstellen.
Hier ist es Aufgabe der Career Center, nicht nur den Kontakt zu Unternehmen herzustellen, sondern auch Vorbehalte abzubauen und Aufklärung zu betreiben. Ich frage bei den Unternehmensvertretern stets gezielt nach, ob berufliche Möglichkeiten speziell für nicht-deutschsprachige Absolventen vorhanden sind. So hat sich ein umfassendes Netzwerk gebildet, das es uns ermöglicht, unseren Studierenden konkrete Kontakte zu Unternehmen direkt am Hochschulstandort anbieten zu können. Das halte ich für sehr wichtig, gerade weil nicht einmal ein Drittel der deutschen Hochschulen Kontakte mit Unternehmen vor Ort pflegt.
Durch Recruiting-Events haben die internationalen Studenten zudem die Möglichkeit, sich ein unbedingt erforderliches und umfassendes berufliches Netzwerk aufzubauen – bereits während ihres Studiums. Das scheint keine Selbstverständlichkeit zu sein, denn die Studie stellt fest, dass internationalen Studierenden oft genau das in Deutschland fehlt.
Jobfinder Netzwerke
Das bringt mich direkt zum nächsten Punkt: Auch die persönlichen Netzwerke der Internationalen, also zu Mitstudenten und Dozenten, sind meistens unzureichend ausgebaut. An dieser Stelle hilft unseren Studierenden der Status der MBS als private Hochschule mit kleinen Kursen, regelmäßiger Teamarbeit in internationalen Gruppen und direktem Kontakt zu den Dozenten. Die dadurch vorhandene Nähe der Studierenden untereinander hat den Effekt einer großen Familie, der wiederum Basis ist für regen und regelmäßigen Austausch. Um diesen qualitativ noch weiter zu optimieren, sehe ich es als wichtige Aufgabe eines Career Centers an, internationale Studierende mit praktischer Berufserfahrung in Deutschland mit solchen Studenten zusammenzubringen, die diese Erfahrungen (noch) nicht gemacht haben, aber von ihnen profitieren können.
Ein weiteres wichtiges Netzwerk ist das internationale Alumni-Netzwerk. Ich finde es überraschend und beinahe unverständlich, dass laut der Studie 64 Prozent der Hochschulen ihre Alumni-Kontakte nicht nutzen, um ihre internationalen Studierenden zu unterstützen. Tatsächlich sind die Alumni in dieser Hinsicht ein wichtiger Ressourcenpool: Sie kennen die Studiensituation an der konkreten Hochschule, erinnern sich oft noch an eigene Schwierigkeiten beim Übergang ins Berufsleben und können so wichtige Tipps und Erfahrungen an die späteren Studentengenerationen weitergeben. Es kommt sogar regelmäßig vor, dass Alumni, die den Übergang zum deutschen Arbeitsmarkt selbst erfolgreich gemeistert haben, für internationale Absolventen geeignete freie Stellen in ihrem Unternehmen an das Career Center kommunizieren.
An Möglichkeiten, internationalen Studierenden den Weg in die Berufswelt zu ebnen, mangelt es also nicht. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich einen unserer internationalen Studierenden dabei unterstützen kann, den Übergang vom Studium in den deutschen Arbeitsmarkt erfolgreich zu gestalten.