Knowing, Doing, Being: Managementkompetenzen für die Zukunft entwickeln

Graphical illustration of the Knowing, Doing, Being framework as it is taught at Munich Business School.

Die Arbeitswelt der Zukunft ist einem Wandel unterworfen, der neue Kompetenzen erforderlich macht. Eine Ausbildung, die die Kompetenzfelder Knowing, Doing und Being gleichermaßen abdeckt, kann hier Abhilfe schaffen.


In einer aktuellen Studie hat das World Economic Forum die Arbeitswelt der Zukunft vor dem Hintergrund der vierten industriellen Revolution untersucht. Mit der erwarteten Änderung der Arbeitswelt wird es auch zu Verschiebungen der benötigten Kompetenzen kommen. Von den im bzw. ab dem Jahr 2020 erforderlichen Kernkompetenzen werden heute noch ein Drittel als eher unwichtig angesehen. Die Änderungen betreffen alle Branchen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß: So wird sich in der Medienindustrie ein gutes Viertel der Anforderungen ändern, im Bereich des Finanzwesens aber mehr als 40 Prozent.

Die wichtigste Kompetenz ist heute wie in Zukunft die Fähigkeit, neue, schlecht strukturierte Problemstellungen in komplexen Umgebungen zu lösen. Gefolgt wird diese von der Gruppe der sozialen Kompetenzen, zu denen u. a. die Koordination mit anderen, emotionale Intelligenz, Serviceorientierung und Verhandlungskompetenz gezählt werden. Den größten Sprung nach oben in der Gegenüberstellung von 2015 und 2020 machen kognitive Fähigkeiten wie beispielsweise Kreativität und kognitive Flexibilität. Qualitätskontrolle und aktives Zuhören hingegen verschwinden von der Liste der Top-10-Kompetenzen.

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Abbildung 1: Top-10-Kompetenzen am Arbeitsplatz im Jahr 2020, Positionsveränderungen gegenüber 2015 in Klammern (World Economic Forum, 2016)

Knowing, Doing, Being 

Im Zentrum eines Hochschulstudiums steht das Fachwissen der jeweiligen akademischen Disziplin. Das ist auch im Bereich der Betriebswirtschaftslehre so. Es werden die grundlegenden Theorien und Methoden vermittelt, beispielsweise in Finanzen, Buchhaltung, Marketing und Unternehmensführung. Das theoretische Wissen aus dem Hörsaal führt dabei allerdings nicht automatisch zu Handlungs- und Problemlösungsfähigkeit in der Praxis: Viele Hochschulabsolvent*innen erleben beim Übergang von der akademischen Erstausbildung in die Berufstätigkeit einen sogenannten „Praxisschock“. Zum tiefen Verständnis der theoretischen Inhalte ist – gerade in einer sozialwissenschaftlichen Disziplin wie der Betriebswirtschaftslehre – eine zeitnahe Erprobung der Theorien und Tools notwendig; und umgekehrt eine Rückkopplung der praktischen Erfahrungen mit dem Prozess des Wissenserwerbs.

Ziel eines Hochschulstudiums darf aber nicht ausschließlich ein nahtloser Übergang in den Arbeitsmarkt zum Zeitpunkt des Studienabschlusses sein. Ziel ist es auch, Kompetenzen zu fördern, die einen Umgang mit dynamischen und komplexen Situationen ermöglichen. Eine wichtige Komponente hierfür ist die intensive Beschäftigung mit grundlegenden Werten und persönlichen Zielen. Die Vermittlung und Ausbildung von dauerhaften Werten anstatt von situationsabhängigen Regeln fördert letztlich das eigenständige kreative Problemlösen.

Plakativ können damit die drei miteinander verbundenen Kompetenzfelder Knowing, Doing, Being unterschieden werden:

  • Das Kompetenzfeld Knowing (Wissen) beschäftigt sich mit Theorien und Methoden, die für eine erfolgreiche Unternehmensführung erforderlich sind.
  • Im Kompetenzfeld Doing (Handeln) geht es um die konkrete Anwendung des Wissens auf konstruierte oder reale Situationen der Praxis.
  • Im Kompetenzfeld Being (Sein) stehen persönliche Werte und Ziele sowie die Selbstreflexion im Mittelpunkt.
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Abbildung 2: Kompetenzfelder

Lücken schließen

Interessante Herausforderungen entstehen insbesondere an den Schnittstellen zwischen den drei Kompetenzfeldern. Das Knowing-Doing-Gap (Pfeffer & Sutton, 2000) bezeichnet im Bereich der Innovationsforschung die Kluft zwischen Wissen und Handeln. Diese Kluft ist nicht nur durch die mangelnde Fähigkeit gekennzeichnet, gelernte Theorien in die Praxis zu übertragen, sondern auch durch zahlreiche Begleitfaktoren, die sich im Rahmen einer konkreten Umsetzung als Hindernis ergeben können. Umsetzungs- und Problemlösungskompetenz bedeuten daher deutlich mehr, als lediglich die Theorie auf eine praktische Problemstellung übertragen zu können.

Generell ist die Frage nach dem richtigen Verhältnis von Wissen und Handeln und die Interaktion zwischen beiden von besonderer Bedeutung in einer hochvolatilen Welt. Erst zu handeln, wenn vollständige und verlässliche Informationen über alle möglichen Konsequenzen vorliegen, ist gerade in einer dynamischen Umwelt keine Option. Andererseits kann auch schnelles, unbedachtes Handeln großen Schaden verursachen. Dieses Zusammenspiel zu verstehen und am praktischen Beispiel zu erleben, ist daher ein wichtiges Lernziel zum Erlangen von Problemlösungsfähigkeit und zur Ausbildung eines guten Entscheidungsverhaltens.

Analog zum Knowing-Doing-Gap können sich im Kontext des vorgestellten Modells auch Diskrepanzen zwischen Knowing (Wissen) und Being (Sein) bzw. Doing (Handeln) und Being (Sein) ergeben. Letztlich ist der Mensch auch im Kontext des Arbeitslebens nicht ausschließlich ein „Human Doing“ oder ein „Human Knowing“ sondern immer auch ein „Human Being“.

Ein Doing-Being-Gap kann beispielsweise in ethischen Fragestellungen entstehen, wenn das Handeln im Widerspruch zu den eigenen Werten bzw. zu den Werten anderer Betroffener steht. Eine aktive Auseinandersetzung mit den eigenen Werten, aber auch mit den Werten anderer (z. B. anderer Individuen, aber auch fremder Kulturkreise), muss daher Bestandteil jeder Managementausbildung sein. Dieses zahlt unmittelbar auf die gefragten Kompetenzen der emotionalen Intelligenz, des Managements von Teams sowie der Verhandlungsfähigkeit ein. Darüber hinaus sichert eine aktive Auseinandersetzung mit dem persönlichen Wertesystem die langfristige Handlungsfähigkeit auch in neuen und unbekannten Situationen.

Ein Knowing-Being-Gap kann entstehen, wenn das vermittelte Wissen sich allein auf die Fachkompetenz bezieht, sich dabei komplett von der eigenen Lebens- sowie Erfahrungswelt löst und kein Bezug zum eigenen Wertesystem herstellbar ist.

Kompetenzen in der Praxis stärken

Im Rahmen einer Managementausbildung tragen alle drei Kompetenzfelder im Zusammenspiel zu einer Förderung der relevanten Zukunftskompetenzen bei. Exemplarisch seien hier Lehrkonzepte aus den Studienprogrammen der Munich Business School (MBS) genannt:

  • Knowing – Doing: Im Rahmen des problemorientierten Lernens werden Theorien und Werkzeuge nach Möglichkeit im Kontext vermittelt. So gibt es auf der fachlichen Ebene im Studiengang Bachelor International Business keine separaten Module zu Wirtschaftsmathematik. Stattdessen wird das notwendige mathematische Wissen integriert mit der praktischen Anwendung vermittelt. Finanzmathematische Konzepte sind beispielsweise Bestandteil von Finanzvorlesungen und statistische Methoden werden im Zusammenhang mit Marktforschung vermittelt. Im Rahmen von Fallstudien oder Projekten werden neben den Fachkompetenzen zugleich auch die sozialen Kompetenzen trainiert und damit auch das Wissen aus entsprechenden Workshops (z. B. zu Kommunikation oder Verhandlungstechniken) praktisch angewandt.
  • Knowing – Being: Im Kurs Success Factor Happiness im Studienprogramm Master International Business werden theoretische Konzepte des Glücks anhand von Fallstudien im volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Kontext behandelt. Zugleich werden die Studierende durch Übungen angeregt, über ihr persönliches Konzept von Glück und ihre Lebensplanung zu reflektieren.
  • Being – Doing: Ein fakultativer Malworkshop ermuntert die Studierenden, sich künstlerisch zu betätigen – ohne theoretischen Überbau. So werden ungeahnte Talente sichtbar, Gefühle und Stimmungen werden künstlerisch ausgedrückt und der Mut zur Kreativität wird gefördert.
  • Knowing – Doing – Being: Das Sozialprojekt im Grundstudium des Studiengangs Bachelor International Business vermittelt theoretische Kenntnisse im Projektmanagement, die unmittelbar in Zusammenarbeit mit einer sozialen Einrichtung in der Praxis erprobt werden. Dabei ist zugleich eine aktive Auseinandersetzung mit fremden Lebenswelten erforderlich, die wiederum Rückwirkungen auf das eigene Selbstverständnis und Wertesystem hat.
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Abbildung 3: Beispiele für MBS-Lehrkonzepte an den Schnittstellen der Kompetenzfelder

Zu einer modernen Managementausbildung für die Zukunft gehören sowohl eine fundierte fachliche Ausbildung als auch eine gezielte Förderung und Forderung anderer Zukunftskompetenzen. Das kollaborative und kontextuelle Lernen im dargestellten Spektrum der Kompetenzfelder Knowing (Wissen), Doing (Handeln) und Being (Sein) bietet hierfür eine gute Grundlage. Ein solches innovatives Lehr- und Lernkonzept erfordert kleine Studiengruppen und einen engen persönlichen Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden. Es verlangt auf beiden Seiten den Mut, ausgetretene Pfade zu verlassen und neue Konzepte zu erproben. Für beide Seiten bedeutet es, deutlich mehr zu leisten, als es der rein akademische Abschluss verlangen würde. Am Ende steht dann aber neben dem akademischen Abschluss auch eine ausgewogene Kompetenzentwicklung zwischen Wissen, Handeln und Sein.

Literatur:

Für Inhalt und Form des Artikels ist der Autor verantwortlich.

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Über Prof. Dr. Stefan Baldi 16 Artikel
Prof. Stefan Baldi ist Dekan der Munich Business School seit März 2002. 1984 bis 1990 Studium der Informatik an der TU Clausthal und dem Karlsruher Institut für Technologie (Diplom-Informatiker), 1996 Promotion zum Dr. rer. pol. in Betriebswirtschaftslehre an der TU Ilmenau. Von 1990 bis 2002 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Oestrich-Winkel sowie selbständiger Berater und Trainer im Bereich Informationssysteme.