Soziale Innovationen sind kein neues Phänomen: Als der Stahlmagnat Andrew Carnegie 1919 verstarb, existierten fast 2.000 öffentliche Bibliotheken in den USA, die er finanziert und ermöglicht hatte. Das bis dahin geltende Privileg von Bildung für die gesellschaftlichen Eliten wurde durch öffentliche Bibliotheken abgeschafft, zugunsten des freien Zugangs zu Wissen für jedermann. Ein weiteres, aktuelles und eingängiges Beispiel für soziale Innovation ist die von Muhammad Yunus gegründete Grameen Bank, die durch die Vergabe von Mikrokrediten die Stellung der armen Bevölkerung und die Rolle der Frau in der Gesellschaft hinterfragte und positiv belegte.
Was zeichnet eine soziale Innovation aus?
Initiiert werden können soziale Innovationen in verschiedenen Sektoren: in der Zivilgesellschaft, der Politik, der Wirtschaft; und häufig entstehen sie gerade zwischen den Sektoren.
Aber was macht eine soziale Innovation aus? Josef Schumpeter, der Vater der Innovationsforschung, prägte den Begriff der „schöpferischen Zerstörung“, die eingespielte Praktiken verdrängt. Der klassische Innovationsbegriff ist in seiner Definition jedoch immer noch umstritten – ebenso die Frage, was eigentlich sozial bzw. gesellschaftlich gewünscht ist. Daher ist auch der Begriff der sozialen Innovation noch nicht abschließend geklärt. Der Diskurs verschiedener Wissenschaftsdisziplinen zum Begriff und zur Rolle sozialer Innovationen ist vielmehr von einer Fülle von Definitionen und einer großen Heterogenität im konkreten Begriffsverständnis geprägt.
Aus den diversen Ansätzen lässt sich ein sehr breiter Innovationsbegriff mit dem folgenden kleinsten gemeinsamen Nenner ableiten:
Demnach sind soziale Innovationen neue Lösungsansätze zur Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse oder sozialer und ökologischer Probleme; sie sind überall in gesellschaftlichen Systemen möglich, setzten sich nachhaltig durch und bringen einen gesellschaftlichen Nutzen.
Nach dieser sehr allgemeinen Definition können soziale Innovationen komplementär zu, als auch eine Folge bestehender Angebote sein oder aber völlig unabhängig davon. Darüber hinaus können sie durchaus auch kommerziell erfolgreich sein. Nicht abschließend beantwortet werden kann jedoch die Frage, welchen gesellschaftlichen Nutzen eine soziale Innovation hat bzw. welche Bedarfe sie überhaupt adressieren soll und welche Innovationen wünschenswert sind.
Innovation ist ja kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um die Zukunft unserer Gesellschaften lebenswert zu gestalten. Diese Frage ist objektiv nicht zu beantworten, sondern vielmehr abhängig von der Sichtweise des Betrachters sowie vom zeitlichen und räumlichen Kontext, in dem die Frage gestellt wird.
Neues Momentum für soziale Innovationen
Wie die eingangs genannten Beispiele illustrieren, haben Menschen schon immer versucht, neue Lösungsansätze für drängende gesellschaftliche Probleme zu entwickeln. Weshalb also erfahren soziale Innovationen aktuell ein neues Momentum? Hierfür sind mehrere Einflussfaktoren zu nennen:
Zum einen sind die gesellschaftlichen Aufgaben dieser Zeit zu globalen Aufgaben geworden: ob bei der Überschuldung der Nationalstaaten, der Energiewende oder der Flüchtlingskrise – Anstrengungen einzelner nationaler Akteure sind nicht mehr ausreichend. Auch sind die bisherigen Innovationsstrategien mit einem technologischen Fokus offensichtlich nicht in der Lage, den aktuellen Herausforderungen angemessen zu begegnen. Somit bedarf es vielmehr konzertierter, gemeinsamer Bemühungen über Sektor- und Landesgrenzen hinweg – und damit neuer Regeln, neuer Techniken und neuer Allianzen.
Darüber hinaus kann man feststellen, dass sich die Grenzen der traditionellen Aufgabenteilung zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zunehmend auflösen und verschieben.
Zum Dritten führt die aktuelle Konzentration des privaten Reichtums auch bei sehr jungen Menschen zu einer „Wiederbelebung der Philanthropie“ und zu großen Finanzierungsvolumina privater Philanthropen. Das klassische Mäzenatentum wird zunehmend abgelöst durch unternehmerische Wohltätigkeit, die den Innovationsgedanken aus der Technologie auf soziale Fragestellungen überträgt und in Sozialprojekte investiert, die oft durch digitale Technik gesellschaftliche Probleme lösen.
Eine weitere Einflussgröße stellt sicher auch die globale Digitalisierung dar: Sie sorgt dafür, dass Menschen schneller und besser über soziale Missstände informiert sind, sich im Gegenzug aber auch schneller und weltweit vernetzen können, um so wirksame Innovationen zu entwickeln. Die neuen Kommunikationsmittel erleichtern so den Zugang zu Informationen und Gleichgesinnten – ein idealer Nährboden für kulturübergreifende Innovation.
Folgt ein Jahrhundert sozialer Innovationen?
Das 20. Jahrhundert war eines der technischen Innovationen, ein Jahrhundert der Maschinen und der Technik, das vielen Wohlstand gebracht hat, aber auch unsere Erde an ihre Grenzen – und teilweise darüber hinaus.
Vielleicht könnte das 21. Jahrhundert eines der sozialen Innovationen werden, wo die Errungenschaften der Vergangenheit für eine sozialere und nachhaltigere Zukunft eingesetzt werden.