Wie gehe ich nach einem sehr guten Abitur mit schlechten Noten im Studium um? Gibt es eine Alternative zu einem Kühlschrank voller Fertigpizzas und einem 24/7-Schreibtisch? Bin ich Burn-out-gefährdet oder verbringe ich mehr Zeit in Clubs als im Hörsaal? Gerade der Übergang vom Schüler zum Studenten – und ebenso später vom jungen Erwachsenen zum Geschäftsmann – stellt viele junge Menschen vor neue Herausforderungen, die sie alleine oft nicht bewältigen können. Hier setzt Student Coaching an: Das Konzept baut auf professionalisierte Selbstentwicklung und ermöglicht es Studierenden, ihre studentische Lebenssituation zu hinterfragen, zu überprüfen und gegebenenfalls durch eigene Ideen zu verbessern.
Seit 2010 verfolgt die Munich Business School einen weltweit einzigartigen Weg: Student Coaching. Student Coaching ist im Gegensatz zu den Angeboten anderer Universitäten kein Tutoren-, Mentoren- oder „Ich coache Dich mal“-Programm. Es ist vielmehr eine strukturierte Unterstützung, die die Transformation von der Schulzeit zum Studium erleichtern soll1.
Voraussetzung für das Programm – und vielleicht auch gleichzeitig die größte Schwäche: Die Freiwilligkeit. Einerseits kann Coaching nur bei Studierenden angewandt werden, die von sich aus dazu bereit sind, selbst zu reflektieren und gegebenenfalls selbst Veränderungen herbeizuführen. (Gutgemeinter) Zwang wäre hier falsch und kontraproduktiv. Andererseits erreicht man erfahrungsgemäß Studierende mit Selbstüberschätzung und solche, die auf Grund ihres falschen (!) Zeitmanagements gar keine Zeit finden, eben gerade nicht!
Zum Glück kann man letztere teilweise in Tutoren- und Student-Buddy-Programmen auffangen. Oft allerdings leider zu spät – nachdem bereits eine „Lernkurve“ nötig war.
Herausforderung Studentenleben
Warum gab es früher kein Coaching an Universitäten? Warum haben wir an der Munich Business School ein Student Coaching entwickelt? Um uns gegenüber anderen Hochschulen hinsichtlich der Studierenden-Betreuung zu differenzieren? Oder um besorgten Verwandten und Helikopter-Eltern ein gutes Gefühl zu geben?
Im Gegensatz zur Generation X hat die Generation Y ganz andere Voraussetzungen und Bedürfnisse. Einerseits stellt das Berufsleben ganz andere Anforderungen und Fertigkeiten2, andererseits sind die Möglichkeiten so mannigfaltig, dass eine Entscheidung schwerfällt. Kaum ein Schüler beginnt das Studium gleich nach der Schule. Wenn es möglich ist, wohnen viele Studierende noch bei ihren Eltern oder haben mit Mitte 30 noch ihr original eingerichtetes Kinderzimmer.
Die Freiheit und Flexibilität, die durch die Bologna-Konferenz (zur Vereinheitlichung der weltweiten Universitätsausbildungen und ‑abschlüsse) kommen sollte, hat eher zu einem strengeren Korsett geführt. Die Freiheit des Hochschullebens wird durch schulisch geprägte Klassen/ Seminare und einen enormen Leistungsdruck geprägt. Dieser wird von der Gesellschaft (vor allem durch Schulen), von den Eltern und von den Studierenden selbst erzeugt. Das führt zum Teil zu absurden, angstgetriebenen und übertriebenen Leistungsansprüchen!
Mehr als Hilfe zur Selbsthilfe
In dieser Situation befinden sich die Studierenden heute. Das Bild vom faulen, auf der Wiese liegenden Studenten ist verblasst. Allerdings ist die Herausforderung der Generation Y in einem Punkt ähnlich der Generation X, also der Elterngeneration: Die Studierenden stehen das erste Mal auf eigenen Füßen, müssen sich selbst organisieren, ihren Lernstoff einteilen; dabei haben sie weniger Freizeit (im Vergleich zur Schulzeit), es bilden sich die ersten festen persönlichen Freundschaften und Beziehungen, es passieren die ersten Todes- und Krankheitsfälle im engsten Umkreis.
All das setzt jungen Menschen zu – und oft haben sie niemanden, mit dem sie darüber persönlich sprechen können. Gleichzeitig erwarten viele Studierende bei einer solchen „hohen Taktung“ eine gleichbleibend hohe Leistung von sich selbst. Ruhepausen werden gekappt, da sie vermeintlich unnötig sind; unrealistische Lernpakete werden geschnürt; eine unruhige oder unstete Lernumgebung wird durch längeres Lernen kompensiert. Oft fällt es betroffenen Studierenden gar nicht auf, dass etwa das Babysitten von drei Geschwistern möglicherweise den Studienerfolg gefährdet! Auch der wöchentliche Wochenendbesuch der Eltern während des Semesters muss nicht immer hilfreich sein.
Problemlösung durch Selbstreflexion
Genau hier greift das Student Coaching ein: Durch gezielte Fragetechnik rufen die eigens dafür trainierten Student Coaches eine Selbstreflexion beim Studierenden hervor, also ein Überdenken und gleichzeitig eine Bewertung von Optionen. Es ist mehr als ein reines Nachdenken, es festigt den Studierenden in seiner Persönlichkeit, trainiert das (im Berufsleben später geforderte) lösungsorientierte Denken und erweitert seine Perspektive auf andere Möglichkeiten (das sogenannte Out-of-the-Box-Denken).
Um ein solches professionelles Student Coaching zu gewährleisten, scheuen weder unsere Hochschule noch die vielen ehrenamtlichen Student Coaches Kosten oder Zeit: Alle persönlich ausgewählten Trainer werden von einem zertifizierten Senior Coach eines renommierten Coaching-Verbandes trainiert und jährlich (!) nachzertifiziert.
Auch wenn viele Studierende lieber ein „konkretes Ja oder Nein“ haben wollen, das ein erfahrender Student oder Manager leicht geben kann: der langfristige Nutzen von Student Coaching ist deshalb so groß, weil der Studierende selbst über sich nachdenkt und die für seine Persönlichkeit passende, individuelle Lösung findet.
1 Albrecht, E. (2016). Business Coaching – Ein Praxislehrbuch, De Gruyter Oldenbourg Verlag
2 Albrecht, A. (2014). Wunsch und Wirklichkeit der Generation Y, Unternehmeredition Personal (Vol.5), S. 40f