Jean-Jacques Ferrand war verantwortlich für den Aufbau der Munich Business School (damals: Europäische Betriebswirtschafts-Akademie) und ihr Direktor. Er lebt heute in seiner Heimat Frankreich. Birgit Wagner ist seit 1996 Mitarbeiterin an der Europäischen Betriebswirtschafts-Akademie/ Munich Business School und heute Leiterin Studienorganisation an der MBS. Martin Meister ist Diplom-Absolvent 1996 und seit 1997 Mitarbeiter der Europäischen Betriebswirtschafts-Akademie/Munich Business School. Heute ist er Leiter Prüfungsamt und Zulassung an der MBS.
Jean-Jacques Ferrand: Bonjour Birgit, bonjour Martin! Schön, Euch zu sehen. Wie ich hörte, arbeitet Ihr beide immer noch an der MBS? Das finde ich beeindruckend, schließlich seid Ihr schon sehr lange an Bord. Ich selbst kam vor 25 Jahren nach Deutschland, um hier die Europäische Betriebswirtschafts-Akademie ( eba) aufzubauen – unter diesem Namen wurde die Hochschule ja damals gegründet.
Birgit Wagner: Hallo Jean-Jacques. Ja, ich habe 1996 hier angefangen und arbeite auch heute noch an der MBS. Ich hatte zuvor eine Ausbildung zur Fremdsprachen- und Eurokorrespondentin gemacht. Irgendwann rief mich eine meiner ehemaligen Dozentinnen aus der Ausbildung an und erzählte mir von einem Stellenangebot an der eba. Eine private Hochschule, das klang für mich sehr faszinierend. Ich habe sofort meine Unterlagen hingeschickt und kurze Zeit später saß ich bei Dir im Bewerbungsgespräch.
Martin Meister: Auch von mir ein herzliches Hallo, Jean-Jacques. Ich habe im Wintersemester 1992 – im zweiten Jahrgang überhaupt – hier an der Hochschule mein Studium begonnen und vier Jahre später meinen Abschluss gemacht. Sechs Monate danach habe ich als Mitarbeiter an der MBS angefangen.
Von der Bank ins Bildungswesen
Birgit Wagner: Wie kam es damals eigentlich dazu, dass Du nach München gekommen bist, um hier eine private Hochschule aufzubauen? Du warst ja seinerzeit in Deinem Heimatland Frankreich im internationalen Bankwesen tätig, wenn ich mich recht erinnere.
Jean-Jacques Ferrand:Ja, so war es. Ich hatte damals schon längere Zeit für ein französisches Bankhaus in Paris gearbeitet und bin außerdem für einige Jahre in Frankfurt und in Hongkong gewesen, um dort Niederlassungen der Bank aufzubauen. Einer meiner Kunden, den ich in der Bank betreute, Philippe Guilhaume, war Gründer und Chef der ebs Paris, der ersten Management School in Frankreich. Er hatte bereits 1962 die Idee gehabt, eine private Schule für Betriebswirtschaftslehre mit internationaler Ausrichtung zu gründen, und setzte diese Idee 1967 in die Tat um.
Das Konzept war seinerzeit einzigartig: Die Dozenten kamen aus der Wirtschaft; Englisch war für die Studenten Pflicht, sie mussten bereits während des Studiums ein Unternehmen gründen und zwei Semester im Ausland verbringen. Zu diesem Zweck gründete Philippe mit jungen Unternehmern Filialen in mehreren europäischen Metropolen.
Eines Tages fragte er mich, ob ich an der ebs Paris Kurse in Betriebswirtschaftlehre halten würde. Ich sagte gerne zu und begann – neben meinem eigentlichen Beruf – als Dozent zu arbeiten. Einige Zeit später kam er erneut zu mir und sagte: „Wir möchten eine Partnerhochschule in Deutschland gründen, damit unsere Studierenden dort ihr Auslandssemester absolvieren können. Hättest Du nicht Lust, in München eine solche Hochschule aufzubauen?“ Die eba sollte eine von insgesamt sieben „European Business Schools“ werden.
Birgit Wagner: Das war sicher ein ungewöhnlicher Schritt. Damals gab man ja in der Regel nicht einfach so seinen Job auf wechselte in eine komplett andere Branche, um dort eine neue Karriere zu beginnen.
Jean-Jacques Ferrand: Ja, das war für damalige Verhältnisse ungewöhnlich und eine große Herausforderung. Manche nannten meine Entscheidung sogar „verrückt“.
Staatliche Anerkennung als Ziel
Martin Meister: Welche Mission hatte man Dir denn damals mit auf den Weg gegeben? Und wie sah die langfristige Strategie für die Ausrichtung der Hochschule aus?
Jean-Jacques Ferrand: Meine Aufgabe war es, die eba so schnell wie möglich finanziell unabhängig aufzustellen und dann, sobald die ersten Diplomanden die Hochschule verlassen hatten, auf die staatliche Anerkennung hinzuarbeiten.
Konzeptionell und inhaltlich galten die gleichen Prinzipien wie für die ebs Paris und ihre anderen internationalen Partnerhochschulen: Die eba sollte neue Maßstäbe hinsichtlich Praxisnähe und internationaler Orientierung des Studiums setzen. Das hieß: Eine marktangepasste Ausbildung, die enge Verzahnung von Theorie und Praxis und die Vermittlung von Soft Skills wie Kreativität und Verantwortungsbewusstsein. Außerdem sollten nicht mehr als 25 Studierende in einem Kurs sein.
Wir haben also das französische pädagogische Modell für Deutschland angepasst und nahmen den Betrieb auf. Zunächst studierten ausschließlich Studenten aus Frankreich und Spanien bei uns, die für ihr Auslandssemester nach München kamen. Doch schon 1991 begannen die ersten regulären Studierenden ihr Diplom an der eba. Ein Jahr später fing Martin hier mit seinem Studium an.
Martin Meister: Ich kann mich noch gut an den Bewerbungsprozess erinnern. Es gab ein Interview, anschließend musste ich einen Test mit 50 Fragen bearbeiten!
Jean-Jacques Ferrand: Vier Jahre später, ein paar Monate nach Deinem Abschluss, habe ich Dich angesprochen, ob Du nicht bei uns arbeiten möchtest. Du warst die perfekte Besetzung für den Job, weil Du wusstest, wie es bei uns an der Hochschule läuft.
Birgit Wagner: Das war wichtig, denn wir waren damals ja nur eine Handvoll Mitarbeiter und hatten schnell etwa 50 Studenten, um die wir uns tagtäglich gekümmert haben. Ich erinnere mich, dass – langfristig gesehen – 500 Studenten im Jahr das Ziel waren. Heute sind es sogar mehr, aber es war ein langer Weg bis dahin.
Jean-Jacques Ferrand: Ja, da hast Du recht. Ganz am Anfang wurden wir noch sehr stark aus Paris unterstützt, danach haben wir alles in Eigenleistung gestemmt. Wir mussten oft erfinderisch sein. Ein Beispiel: Um die Kosten zu tragen, haben wir Unternehmen gesucht, die bereit waren, einen Jahrgang zu sponsern. Als Gegenleistung haben wir es diesen Unternehmen dann gestattet, Dozenten für Gastvorträge zu uns zu schicken und so in den Kontakt mit qualifiziertem Nachwuchs zu kommen. Der erste Unternehmenspartner war das Bankhaus Donner & Reuschel. Wir haben darüber hinaus viele in München ansässige Unternehmen angesprochen, die alle von unserem Konzept begeistert waren: zum Beispiel BMW, Sony, Siemens oder die Deutsche Bank.
Martin Meister: Herr Dr. Czempiel von Donner & Reuschel ist heute immer noch Dozent bei uns und außerdem Honorarprofessor der MBS. Das Bankhaus ist weiterhin ein wichtiger Partner der Hochschule.
Birgit Wagner: Auch andere Dozenten, die von Anfang an mit dabei waren, sind noch heute an der MBS. Zum Beispiel Prof. Dr. Gabriella Maráz, Prof. Dr. Wolfgang Zirus und Prof. Dr. Harald Müllich.
Dekan, Kanzler und Präsident
Jean-Jacques Ferrand: Die Dozenten, die damals bei uns unterrichtet haben, waren allesamt sehr engagiert, auch ihnen hat unser Konzept sehr gut gefallen. Sie haben alle so viel gearbeitet, dass wir irgendwann ihre Stunden nicht mehr bezahlen konnten. Also habe ich regelmäßig per Lastwagen Wein vom Weingut meiner Familie in Südfrankreich nach München liefern lassen. Den haben wir dann kistenweise verteilt, als kleines Dankeschön.
Birgit Wagner: Sogar darum hast Du Dich damals gekümmert. Wie viele Aufgaben hattest Du eigentlich?
Jean-Jacques Ferrand: Lass es mich mit den Worten eines Mitarbeiters vom Kultusministerium beantworten, der während des Anerkennungsprozesses einmal zu mir sagte: „Ich habe noch nie gesehen, dass eine Hochschule einen Dekan, Kanzler und Präsidenten in Personalunion hat.“ In Frankreich ist so etwas ganz normal.
Aber das bedeutet nicht, dass ich alles alleine gemacht habe. Es gab ja immer eine Menge zu tun: wir mussten stetig das pädagogische Konzept weiterentwickeln, uns regelmäßig mit dem Kultusministerium austauschen… wir drei saßen oft bis in die Nacht zusammen und haben das alles nur geschafft, weil wir sehr eng zusammengearbeitet haben. Ich glaube, das war der Kern des Erfolgs.
Martin Meister: Um die staatliche Anerkennung zu erhalten, mussten wir viel Überzeugungsarbeit leisten.
Jean-Jacques Ferrand: Es gab unzählige Gespräche mit dem Kultusministerium. Ich habe sogar unsere Dozenten mit zu den Treffen genommen, damit die unser Ausbildungskonzept erklären. Die Damen und Herren des Ministeriums haben unser Engagement gesehen, es gab aber natürlich auch Bedingungen für die staatliche Anerkennung. Sie sagten zum Beispiel, dass 50 Prozent der Dozenten einen Doktortitel haben müssten. Das war nicht der Fall, also haben sich zwei unserer Dozenten sehr kurzfristig bereiterklärt, den Doktor zu machen.
1999 erhielten wir schließlich die staatliche Anerkennung. Damit war meine Mission erfüllt und ich konnte die eba guten Gewissens an einen Nachfolger übergeben und nach Frankreich zurückkehren. Ich war schon immer mehr der „Aufbauer“, der Dinge ins Rollen bringt, als der „Entwickler“.
Birgit Wagner: Einige Zeit später hat unser heutiger Dekan, Prof. Dr. Stefan Baldi, sein Amt angetreten und die MBS weiterentwickelt zu dem, was sie heute ist.
Martin Meister: Wie ging es eigentlich für Dich weiter in Frankreich? Was machst Du heute?
A French Model
Jean-Jacques Ferrand: Ich lebe etwa sechs Monate im Jahr in Paris. Die restliche Zeit verbringe ich als Winzer im Weinberg meiner Familie in Südfrankreich. Ich kümmere mich nur um das Praktische, das Kommerzielle überlasse ich anderen. Ich versuche, die Weinberge nach den Regeln der nachhaltigen und ökologischen Landwirtschaft zu bewirtschaften. Das ist meine neue Herausforderung.
Ich habe immer noch Kontakt zu vielen ehemaligen Studierenden, Dozenten und Mitarbeitern und freue mich jedes Mal, wenn ich wieder nach München und an die MBS komme. Darf ich zum Abschluss noch ein Grußwort in meiner Muttersprache an sie senden?
Birgit Wagner: Aber natürlich!
Jean-Jacques Ferrand: Vielen Dank!
Je voudrais exprimer ma profonde gratitude au Prof. Dr. Baldi pour sa maîtrise et son intelligence dans la continuité et à tous ceux qui encore présents – aussi bien dans l’administration que dans le professorat – ont fait preuve de fidélité dans l’accomplissement de ce projet.