Management Basics: Leben im Ausland und Funktionale Gebundenheit

MBS Functional Fixedness
© macrovector – iStock.com

Neulich im Baumarkt stand ich ratlos vor den Holzdielen und überlegte, welche Größe wohl die richtige sei (ja, ich kenne sowohl das metrische als auch das imperiale System), und wie ich einige andere Probleme in meiner neuen Wohnung lösen könnte. Dabei fragte ich mich, welchen Einfluss das Leben im Ausland auf die Kreativität hat. Zuallererst kamen mir die Blumenvasen von IKEA in den Sinn, die in Europa als Blumenvasen und in den USA als Trinkgläser gekauft werden – und wie die IKEA-Manager nicht so ganz verstehen konnten, warum die Leute in den USA Blumenvasen kaufen, um daraus zu trinken. Meine Überlegungen gingen dann schnell über zum Thema Kreativität und dem Leben im Ausland.

Wie wir alle schon oft gehört haben, eröffnet das Leben im Ausland viele neue Lernmöglichkeiten. Ein Grund, warum Unternehmen ihre Mitarbeiter in fremde Länder schicken, ist der Glaube, dass diese Mitarbeiter neue Perspektiven mit nach Hause bringen und dadurch das gesamte Unternehmen positiv beeinflussen. Doch wie genau könnte eine solche neue Lernmöglichkeit aussehen? Ein Aspekt ist, die so genannte „Funktionale Gebundenheit“ zu überwinden, also kreative Lösungen für Probleme zu finden.

Der klassische Test

Funktionale Gebundenheit oder Fixierung (engl. functional fixedness) ist eine kognitive Verzerrung, die uns darin beeinflussen oder sogar blockieren kann, kreative Lösungen für Probleme zu finden – oder überhaupt kreativ zu denken. Der Begriff wurde vom Psychologen Peter Duncker geprägt und von ihm verwendet, um Schwierigkeiten bei der Lösung von Problemen zu bezeichnen, bei denen ein Umdenken bezüglich des Verwendungszwecks eines Objektes notwendig ist.

GenimageIm Jahre 1945 veröffentlichte er einen Test, der heute unter dem Namen „Kerzenproblem” bekannt ist: Probanden werden an einen Tisch neben einer Wand gesetzt und bekommen eine Kerze, eine Schachtel mit Reißnägeln und eine Packung Streichhölzer. Sie sollen dann die Kerze so an der Wand befestigen, dass nach dem Anzünden kein Wachs auf den Boden tropft.

Der Trick dabei ist es, die funktionale Gebundenheit zu überwinden, also in einem Gegenstand mehr als nur eine Verwendungsmöglichkeit zu sehen. Beim „Kerzenproblem“ bedeutet das, die Schachtel, in der sich die Reißnägel befinden, als Halterung für die Kerze zu verwenden und an der Wand zu befestigen (Reißnägel in die Kerze zu stecken wird nicht ausreichen, da sie zu kurz sind, um bis zur Wand zu reichen; und geschmolzenes Wachs als Klebstoff zwischen Kerze und Wand zu verwenden, wird ebenfalls nicht funktionieren).

Lösungen für Probleme zu finden, besonders wenn die Antwort offensichtlich ist, ist keine einfache Aufgabe. Wie oft haben Sie sich schon mit einem Problem auseinandergesetzt, nur um später festzustellen: „Die Lösung lag doch schon die ganze Zeit auf der Hand.“ Die Wurzel dieses Problems liegt in unserem Gehirn, das die Dinge nicht auf eine neue Art betrachtet oder an dem Gedanken festhält, dass etwas, das in der Vergangenheit galt, heute immer noch zutrifft. Unsere kreativen Fähigkeiten sind also begrenzt.

Gehen Sie ins Ausland, es wird Ihre Kreativität, Ihre Karriere und Ihr Leben bereichern

Wir kennen jetzt also das Phänomen der funktionalen Gebundenheit. Hilft uns das Leben im Ausland dabei, sie zu überwinden? Grundsätzlich wäre dies zu bejahen, geht man von den Aussagen derjenigen aus, die im Ausland gelebt haben. In den Anfangsphasen des Auslandsaufenthalts wird man ziemlich oft mit Problemen konfrontiert, die es zu lösen gilt. Für die jüngeren Generationen mag die Notwendigkeit für unkonventionellen Lösungen auf eine fehlende Internetverbindung zurückzuführen zu sein. Doch ergeben sich wirklich Vorteile aus dem Leben im Ausland?

Ins Ausland zu reisen macht Spaß, aber es besteht ein wichtiger Unterschied zwischen Urlaubsreisen und dem tatsächlichen Leben im Ausland. Maddux und Galinsky (2009, S.1060) schreiben dazu: „obwohl es heißt, dass Reisen den Horizont erweitern, haben wir in den vorliegenden Studien einen starken Zusammenhang zwischen dem Leben im Ausland inklusive der Anpassung und Kreativität festgestellt.“ In einem Artikel über einen Versuch mit 220 MBA-Studenten, in dem der oben beschriebene Test von Duncker durchgeführt wurde, kam man zu dem Schluss, „dass Menschen mit einer solchen internationalen Erfahrung häufiger neue Unternehmen und Produkte schaffen und öfter befördert werden“ (Maddux, Galinsky, Tadmor 2010). Das Fazit lautet, dass das Leben im Ausland die Kreativität fördert.

Man könnte zu Recht argumentieren, dass diejenigen, die im Ausland gelebt haben, vielleicht von vornherein kreativer waren, und dass Menschen ins Ausland gehen, gerade weil sie ein höheres Maß an Kreativität besitzen. Oder man könnte über die Testmethode von Maddux et al. streiten. Dennoch zeigen beide Möglichkeiten nur negative Gründe dafür auf, nicht im Ausland zu leben, mit negativen Ergebnissen – geringere, oder zumindest als geringer wahrgenommene Kreativität.

Zeit für einen Ortswechsel?

Sie haben das Gefühl, Ihre Kreativität ist auch nicht mehr das, was sie einmal war? Dann ist es vielleicht an der Zeit umzuziehen. Eine weitere Alternative wäre natürlich, Kinder zu bekommen: Fünfjährige können funktionale Gebundenheit nämlich sehr erfolgreich überwinden. Wie die Forschung uns zeigt, nimmt diese Fähigkeit allerdings ab einem Alter von sechs Jahren ab (German & Defeyter, 2000, S.707). Außerdem ist ein Umzug definitiv die günstigere Variante. Wenn Sie Ihrer funktionalen Gebundenheit einen kleinen Arschtritt verpassen möchten, dann verbringen Sie doch ein wenig Zeit in einem Kindergarten. Sie werden viel lernen und dabei auch noch eine gute Tat vollbringen.

Wenn Sie auf der Suche nach einem Studienprogramm Universität sind, erkundigen Sie sich, ob er ein Auslandssemester beinhaltet. Ein Auslandsaufenthalt im Rahmen des Studiums bietet den Vorteil, dass man beim Umzug unterstützt wird. Außerdem erhalten Sie dadurch zahlreiche Networking-Gelegenheiten. Und nicht zuletzt ist ein Auslandssemester für viele eine erschwingliche Methode, um erste Erfahrungen im „living abroad“ zu sammeln.

 

Christopher Weilage Portrait
Über Prof. Dr. Christopher Weilage 60 Artikel
Christopher Weilage, Professor für Betriebswirtschaft und Business Communication, beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Themen International Business und Kommunikation. Weilage absolvierte seinen MBA International Business an der Moore School of Business der University of South Carolina, USA und anschließend den IMBA International Business an der Helsinki School of Economics and Business in Finnland. Am Lehrstuhl für Deutsch als Fremdsprache der LMU München promovierte der gebürtige US-Amerikaner zum Thema E-Learning.