Wie Ihnen eine wichtige Fähigkeit von Profisportlern auch im Geschäftsleben helfen kann (Teil 2)

MBS Self Reflection

Teil 1: Selbstreflexion – eine Fähigkeit, die über Sieg oder Niederlage entscheidet

 Die Fähigkeit zur Selbstreflexion am Arbeitsplatz ermöglicht Spitzenleistungen Einzelner und des gesamten Unternehmens.

Während meiner beruflichen Tätigkeit in einem weltweit tätigen Dienstleistungsunternehmen gab es halbjährlich gründliche und formalisierte 360-Grad-Leistungsbewertungen sowie Ad-hoc-Besprechungen nach Meetings mit Kunden; doch meistens waren diese weder gründlich und strukturiert, noch fanden sie regelmäßig statt. Außerdem mussten Mitarbeiter – abhängig davon, wer das Bewertungsgespräch leitete – dabei nicht unbedingt ihre eigene Leistung bewerten. Wenn sie dies taten, dann ging es von ihnen selbst aus.

Diese Eigenschaft war zwar bei den besten Mitarbeitern vorhanden, diese Eigenschaft hatten sie sich aber selbst angeeignet. Angesichts der Tatsache, dass Dienstleistungsunternehmen sich darauf konzentrieren, andere Unternehmen in Sachen Effizienz, Unternehmensstruktur, Weiterbildung und sogar Leadership zu unterstützen, war es doch sehr überraschend für jemanden wie mich, der aus dem Hochleistungssport kommt, dass diese Eigenschaft nicht Teil der Firmenkultur war.

Als ehemaliger Leistungssportler habe ich die Vorteile von Selbstreflexion selbst kennengelernt. Sehen wir uns heute an, wie wir Selbstreflexion im Business-Umfeld anwenden können.

Wie sich Selbstreflexion im Spitzensport abspielt

Athleten oder Teams im Spitzensport reflektieren ihre Leistungen routinemäßig in den Pausen (z.B. in der Halbzeit) eines Spiels, Rennens oder Wettkampfes in Gesprächen mit den Trainern, aber auch nach dem Spiel, entweder direkt im Anschluss oder ein paar Tage danach.

Dazu gehören konkrete Daten, z.B. zu einzelnen Rennabschnitten, Effizienz beim Ballbesitz, Passgenauigkeit, Anzahl der Torschüsse, Tore oder Torvorlagen. Es können aber auch weniger greifbare Aspekte beinhaltet sein, etwa strategische und taktische, z.B. Aggressivität oder Spielvortrag. Egal ob Tennis, Fußball oder olympischer Sport – um zu verstehen, was bei einem Spiel gerade gut läuft (bzw. gut lief) und was nicht, ist Selbstreflexion die gängige Praxis.

Zudem ist es üblich, in wichtigen Phasen während der Saison oder am Saisonende umfassend und allgemein über die eigenen Stärken und Schwächen (oder die der Mannschaft) zu reflektieren (dass man z.B. am Anfang eines Rennens immer schnell unterwegs ist, man eine gute Abwehr hat etc.). Auf diese Weise lassen sich Aspekte identifizieren, die man nur langfristig verändern kann.

Worüber könnte man im beruflichen Kontext selbstreflektieren?

Es gibt unzählige Bereiche, auf die Sie sich konzentrieren können, je nachdem, welchen Beruf Sie ausüben und welche beruflichen Ziele Sie verfolgen. Das könnte die Fähigkeit sein, Ziele zu erreichen, sich auf andere einzulassen, Projekte zu akquirieren, zu managen oder erfolgreich abzuschließen; oder aber Mitarbeiter zu motivieren und anzuleiten, Partner zu gewinnen, Probleme zu lösen, in größerem Rahmen Verhandlungen zu führen, schriftlich wie mündlich klar und deutlich zu kommunizieren; oder Sie können über die Art und Weise reflektieren, wie Sie Meetings führen oder mit Konflikten am Arbeitsplatz umzugehen.

Identifizieren Sie Faktoren auf Makro- oder Mikroebene, die Ihre Leistung beeinflussen, und fokussieren Sie sich auf jene Aktivitäten, die den größten Einfluss auf Ihre Leistung haben. In meinem ehemaligen Sportumfeld gab es eine Reihe von Team-Regeln, die für alle galten (und für äußerst wichtig gehalten wurden), eine Reihe von individuellen Zielen (auf die eigene Position bezogen) und schließlich eine 1-%-Liste. Sie alle trugen dazu bei, Spitzenleistungen zu erzielen.

Grundsätze der Selbstreflexion

Es gibt einige wichtige Grundsätze der Selbstreflexion. Zunächst sollten Sie begreifen, dass Verbesserungen – egal welcher Art – reine Übungssache sind (z.B. lernen Sie durch Übung, einen guten Volley zu spielen). Außerdem ist es wichtig, bei der Selbstreflexion „neutral“ zu bleiben: Versuchen Sie, es nicht persönlich zu nehmen oder andere persönlich anzugreifen. Stattdessen sollten Sie Ihre Emotionen außen vor lassen, um Ihr eigenes Verhalten (und das der anderen) aus einer neutralen Perspektive zu betrachten. Ein weiterer Aspekt für gute Selbstreflexion ist es, (wertende) Kritik sowie ein „Abstempeln“ (etwa als „inkompetent“) zu vermeiden und stattdessen ausgewogen zu reflektieren. Es gibt immer Dinge, die gut liefen (identifizieren Sie diese!), sowie Bereiche, in denen noch Luft nach oben ist.

Ein Verfahren zur Selbstreflexion

Um über Ihre eigene Leistung am Arbeitsplatz zu reflektieren, können Sie wie folgt vorgehen:

  • nehmen Sie sich Zeit, um allein (Selbstreflexion) und/oder gemeinsam mit anderen über sich zu reflektieren;
  • entscheiden Sie sich für einen Bereich, über den Sie reflektieren möchten, z.B. die heutige Präsentation, die Qualität eines abzuliefernden Projekts oder eine Diskussion mit einem Kollegen;
  • reflektieren Sie über:
    • die Vorbereitung der Aktivität,
    • die Aktivität selbst,
    • das Ergebnis der Aktivität;
  • wählen Sie einen bestimmten Aspekt aus, über den Sie reflektieren möchten; dies könnte etwas sein, das besonders gut oder nicht gut lief (Kurzzeit-Reflexion) oder Ihre eigenen Stärken und Schwächen in Bezug auf einen bestimmten Bereich, eine Tätigkeit oder Rolle (Langzeit-Reflexion);
  • Wenn Sie über die Ausführung einer Tätigkeit (z.B. die heutige Präsentation, die Qualität eines abzuliefernden Projekts oder eine Diskussion mit einem Kollegen) reflektieren, dann stellen Sie fest:
    • Was lief gut?
    • Was lief nicht so gut?
    • Was war ausschlaggebend für das positive bzw. unerwünschte Ergebnis? Holen Sie sich bei Bedarf Feedback bei Ihrem Mentor oder recherchieren Sie online.
    • Was würden Sie beim nächsten Mal anders oder genauso machen?
    • Und um es beim nächsten Mal anders zu machen, wie würden Sie sich vorbereiten (dieser Schritt ist sehr wichtig, wird aber bei der Selbstreflexion häufig ausgelassen)?
  • Wenn Sie über Ihre eigenen Stärken oder Schwächen in Bezug auf eine Tätigkeit reflektieren (oder über die einer anderen Person oder eines Teams, einer Abteilung oder eines Unternehmens), fragen Sie stets nach Folgendem:
    • Wo liegen die für die Tätigkeit notwendigen Stärken?
    • Wo liegen die bei der Tätigkeit hinderlichen Schwächen?
    • Wie kann ich meine Stärken weiter ausbauen und maximieren, um Chancen zu nutzen (z.B. Training, Bildung, Übung, neues Umfeld)?
    • Wie kann ich die negativen Auswirkungen meiner Schwächen reduzieren und zum Positiven wenden (z.B. Training, Bildung, Übung, neues Umfeld)?

Entwicklung einer Kultur der Selbstreflexion

Die Qualität jeder Tätigkeit oder Fähigkeit kann durch Selbstreflexion verbessert werden. Daher ist die Selbstreflexion eine Praxis, von der Spitzenleistungen im Sport und in Unternehmen oder anderen Organisationen getragen werden. Die Entwicklung einer Kultur der Selbstreflexion beginnt mit der Akzeptanz dreier Punkte:

(i) um Spitzenleistungen zu erzielen, muss man die Dinge richtigmachen wollen;

(ii) Spitzenleistungen ergeben sich durch kontinuierliche Verbesserung;

(iii) es ist Teil des Prozesses, Dinge auszuprobieren und zu scheitern (und dann daraus zu lernen und das Gelernte beim nächsten Mal anzuwenden).

Vor diesem Hintergrund: Machen Sie Selbstreflexion zur Gewohnheit und blocken Sie regelmäßig Zeit dafür, entweder nach einer Aktivität (z.B. nach einer Verkaufspräsentation) oder in sinnvollen Abständen (z.B. wöchentlich, monatlich oder vierteljährlich) und führen Sie Ihr Team durch das Verfahren, bis es in Fleisch und Blut übergegangen ist.

So habe ich beispielsweise vor Kurzem mit meinen Studenten ein Szenario durchgespielt, in dem sie über die Fähigkeiten eines Vermarkters reflektieren, ihre eigenen Stärken und Schwächen in Bezug auf diese Kompetenzen ermitteln und dann aus den einzelnen Stärken einen „Marketing-Superhelden“ zusammenbasteln sollten. Welche Ergebnisse dabei herausgekommen sind, sehen Sie hier:

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Über Prof. Dr. Todd Davey 10 Artikel
Prof. Dr. Todd Davey ist leidenschaftlicher Forscher, Referent und anerkannter Experte zu den Themen Unternehmertum und Zusammenarbeit von Universitäten mit Unternehmen (UBC). Nach einer Karriere als professioneller Australian-Football-Profi war er bis 2007 Senior Manager bei Deloitte Australia und besetzte die Position des Strategy & Business Development Managers bei Chimo, einem der am schnellsten wachsenden Start-ups Australiens, das 2005 von Deloitte übernommen wurde. Er absolvierte seinen Master in International Management an der Hochschule Münster und promovierte an der Vrije University in Amsterdam mit dem Schwerpunkt "Entrepreneurship at Universities". Er ist außerdem Director of Strategy beim University Industry Innovation Network (UIIN) und Leiter der größten europäischen Studie über die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Unternehmen für die Europäische Kommission. Zuvor war er als Marketing Director für einen Australian-Football-Team der zweiten australischen Liga tätig sowie in den Bereichen Innovationsforschung und Beratung für den Adelaide Football Club, das Pacific Islanders Rugby Team, Fortuna Düsseldorf, die AFL Europe und Berlin Thunder.