Am Freitag, 29. März 2019, ist Florian Henle, Co-Founder und CEO des Ökoenergieversorgers Polarstern, zu Gast an der Munich Business School. Im Rahmen der Veranstaltung „Relationship Marketing“ wird er über Polarstern als Social Business und zum Thema „Relationship Marketing in the company and with customers“ sprechen.
Der Münchner Energieversorger Polarstern bietet Ökostrom und Ökogas aus 100 Prozent erneuerbaren Energien, Spezialtarife etwa für E-Autos sowie Lösungen zur dezentralen Energieversorgung an. Polarstern versteht sich als Sozialunternehmen und misst seinen unternehmerischen Erfolg nicht am ökonomischen Gewinn allein, sondern darüber hinaus am Nutzen für das Gemeinwohl. Zu diesem Zweck hat Polarstern bereits 2016 und als erster Energieversorger eine Gemeinwohlbilanz veröffentlicht. 2019 wurde Polarstern zum zweiten Mal in Folge von brand eins Wissen und statista zum „Innovator des Jahres“ gekürt.
Im Gespräch erklärt Florian Henle, was soziales Unternehmertum für Polarstern bedeutet und welchen Stellenwert das Konzept im Unternehmensalltag hat.
Dr. Sophie Hieke: Begriffe wie Social Business und Social Entrepreneurship tauchen in letzter Zeit vermehrt auf. Was genau verbirgt sich dahinter?
Florian Henle: Grundlegend für ein Social Business ist, dass der Unternehmenszweck in der Lösung einer gesellschaftlichen Herausforderung liegt. Anders gesagt: Es steht nicht alleine die Profitmaximierung im Vordergrund, vielmehr haben soziale und ökologische Ziele den gleichen Wert. Es muss ein gesunder Dreiklang gegeben sein, damit ein am Gemeinwohl orientiertes Wirtschaften nachhaltig erfolgreich sein kann. Am Ende ist es sogar erfolgreicher, weil mit dem Wirtschaften nicht die Lebensgrundlage und damit langfristig die Basis des eigenen Wirtschaftens zerstört wird.
Dr. Sophie Hieke: Wie betreibt man Marketing und Kommunikation in einem Unternehmen wie Polarstern? Was ist im Vergleich zu „herkömmlichen“ Energieanbietern anders? Braucht es so etwas wie Social Marketing?
Florian Henle: Wir lehnen ein Vorgehen im Sinne von Social Marketing oder CSR Marketing ab. Es muss ein Grundverständnis, eine Grundhaltung sein, entsprechend zu handeln. Wir beschreiben es als unsere DNA, die uns automatisch so handeln lässt. Anders gesagt, ein Social Marketing ergibt sich ganz natürlich aus der Art des unternehmerischen Wirtschaftens. Alles andere wäre aufgesetzt und nur von kurzer „Haltbarkeit“ bzw. stets volatil der Unternehmensführung unterworfen.
In der Kommunikation, genauso wie in der Produktentwicklung und in anderen Geschäftsbereichen, geht es bei uns um den Mehrwert, den wir schaffen – für unsere Kunden und für die Gesellschaft. Wir wollen mit Energie die Welt verändern. Dazu entwickeln wir (neue) Produkte und Lösungen und bringen sie auf den Markt. Von der Entwicklung bis zur Umsetzung gelten für uns dabei die gleichen Werte.
Der Klimawandel geht uns alle etwas an
Dr. Sophie Hieke: Wie steht Polarstern zur aktuellen Debatte rund um den Klimawandel und, bezogen auf Deutschland, die Energiewende? Welche Aktivitäten werden verfolgt, wo wird Polarstern aktiv und was müssen wir als mündige Bürger und Verbraucher wissen, um selbst aktiv zu werden?
Florian Henle: Der Klimawandel geht uns alle etwas an. Er kennt keine Grenzen und keine Verantwortlichkeiten. Initiativen wie die derzeit im Zuge von #FridaysForFuture entstehenden Bewegungen begrüßen wir, weil sie die Bedeutung des Klimawandels hervorheben und alle Beteiligten zusammenbringen. Aus einer Schülerbewegung ist mit #ParentsForFuture, #ScientiestForFuture, #CompaniesForFuture und weiteren Initiativen eine weltweite und gruppenübergreifende Aufmerksamkeit geschaffen worden, die hoffentlich noch etwas anhält. Die Politik richtet sich nach der vermeintlichen Mehrheitsmeinung, diese müssen wir lautstark vertreten.
Ein Aufrechnen beim Engagement für Energiewende und Klimaschutz nach dem Motto „Wenn ich das mache, was machst du dann?“ bringt uns nicht weiter. Diese verquere Denke muss aufhören, in der Politik und auch in der Wirtschaft. Jeder muss sein Bestes geben, sich anstrengen und denjenigen helfen, die es aus eigener Kraft nicht schaffen; sie ermutigen, sie beraten und in ihrem Tun als Partner zu Seite stehen – nicht aber für sie das Tun übernehmen. Das funktioniert nicht und wäre falsch verstandene „Entwicklungshilfe“.
Grundsätzlich müssen Anstrengungen für eine gemeinsame Zukunft stärker belohnt werden. Es darf sich nicht rechnen, klimaschädlich zu wirtschaften. Bestes Beispiel dafür ist eine CO2-Steuer, die wir befürworten. Denn die Bepreisung von CO2 würde alle Sektoren betreffen und den Einsatz fossiler Energien unattraktiv machen, der Einsatz erneuerbarer Energien wäre dann automatisch auch wirtschaftlich interessanter. Umgekehrt könnten mit den Einnahmen Steuern gesenkt werden – oder Investitionen in nachhaltige Infrastruktur und Unterstützung einkommensschwacher Haushalte geleistet werden.
Letztlich sehen wir es bei Polarstern als unsere Aufgabe, zu einem energiebewussten, klimabewussten Handeln zu motivieren, indem wir ganz konkrete Maßnahmen vorstellen und erklären. Wichtig ist es, bei den Menschen das Interesse an Energiewende und Klimaschutz zu wecken und die Bedeutung hervorzuheben, aber eben so, dass es zu einem Handeln aus Überzeugung führt und nicht aus schlechtem Gewissen heraus. Es muss klar sein, was jeder Einzelne machen kann, wie einfach es ist und wie viel Sinn das macht.
In der Marketing-Sprache würde es Content Marketing genannt – stets mit einem positiven Dreh zur eigenen Wirkungskraft. Außerdem organisieren wir Events etwa zur Earth Hour (jetzt wieder am Samstag) oder einen jährlichen Isar Clean up, um die Menschen auf konkrete Themen aufmerksam zu machen.
Wir sollten unser Wissen und unsere Fähigkeiten nicht überschätzen!
Dr. Sophie Hieke: Der international bekannte Umweltaktivist Michael Shellenberger hat sich in einem kürzlich veröffentlichten Forbes-Artikel massiv für Atomkraft ausgesprochen. Wie denkt man bei Polarstern darüber?
Florian Henle: Wir sollten unser Wissen und unsere Fähigkeiten nicht überschätzen. Atomkraft ist eine Technologie, die wir künstlich erschaffen haben und die wir nur zu einem gewissen Teil beherrschen können: Dann, wenn alles nach Plan läuft. Wir verschieben Probleme, wie etwa die Entsorgung des radioaktiven Mülls, in die Zukunft. Warum aber sollten wir auf Atomkraft setzen, wenn wir natürliche Energiequellen haben?
Unter anderem argumentiert Shellenberger in seinem Artikel, dass die Anzahl der Todesopfer der Fukushima-Katastrophe deutlich geringer gewesen sei als bei Unfällen in Zusammenhang mit regenerativen Energien. Dabei verweist er auf Beispiele wie den Bruch des Banqiao-Staudamms im Jahr 1975 in China, der zwischen 170.000 und 230.000 Todesopfer forderte. Dieses Beispiel greift jedoch zu kurz: Während beim Staudamm die Gefahren bekannt sind, ist dies bei der Atomkraft nicht der Fall. Es ist ein Spiel mit vielen Ungewissheiten. Diese Ungewissheiten erst durch Unfälle zu erforschen, ist fatal.
Die Folgen einer nuklearen Katastrophe allein auf die direkt damit verbundene Sterblichkeit zu beziehen, greift ebenfalls zu kurz. Wir wissen bis heute nicht, wie viele Krankheiten dadurch verursacht werden. Im Falle des Tschernobyl-Unglücks dauert die Forschung bis heute an und ist rund drei Jahrzehnte nach dem Unglück bei Weitem nicht am Ende. Wir erfassen nur das, was bis heute einwandfrei erwiesen ist. Die Folgen eines Reaktorunfalls gehen jedoch zeitlich und in ihrem Umfang deutlich darüber hinaus – und sie betreffen uns Menschen sowie Tiere und Pflanzen.
Dr. Sophie Hieke: Vielen Dank für das Gespräch. Ich freue mich auf den Gastvortrag am Freitag!
Fotos © Polarstern