Welche aktuellen politischen Beispiele für Staatseingriffe gibt es nun, bei denen das Targeting Principle nicht eingehalten wird?
Ein Beispiel findet sich in der Klimapolitik. Aktuell wird diskutiert, ob verbindliche CO2-Ziele für alle Sektoren eingeführt werden sollen, um CO2-Neutralität zu erreichen. Die Maßnahme ist sicherlich geeignet. Aber trifft sie auch den Kern des Problems?
Der Kern ist, dass zu viel CO2 ausgestoßen wird. Wenn etwas zu viel ist, dann liegt es vermutlich daran, dass es zu billig ist (siehe auch die Diskussion um den hohen Fleischkonsum). CO2 müsste also teurer sein. Oder überhaupt etwas kosten – eine CO2-Steuer wäre also eine deutlich direktere Möglichkeit dieses Ziel zu erreichen. Die Produzent*innen würden von sich aus, das heißt ohne staatlich verordneten Zwang, versuchen, sich vom nun teuren CO2 zu lösen, indem sie etwa in saubere Technologien investierten. Zudem kann jede Person für sich selbst entscheiden, was für sie besser/kostengünstiger ist: Einen Filter einzubauen ist sicherlich billiger, als die gesamte Produktionstechnologie zu ändern. Kostengünstige Lösungen würden also schnell umgesetzt werden und das auch in Branchen, die aktuell nicht im Fokus stehen, da sie nur wenig CO2 ausstoßen – aus Sicht des Klimas ist es allerdings eigentlich egal, wo CO2 eingespart wird, solange es insgesamt weniger davon gibt. Ein verbindliches CO2-Ziel für jeden Sektor aber würde bedeuten, dass der Staat genau weiß, wie viel wo eingespart werden kann. Dies kann durchaus der Fall sein, aber die Kosten, dies konkret für jeden Sektor zu ermitteln, dürften die Staatskasse nur unnötig belasten. Oder anders formuliert: Die Ursache des Marktversagens, kostenlose Umweltverschmutzung, ist behoben, nun kann und soll der Markt in diesem Rahmen effizient handeln.
Ein weiteres Beispiel: Um Unternehmen zu retten, die im Zuge der Pandemie-Bekämpfungsmaßnahmen in ernsthafte Probleme geraten sind, werden diese verstaatlicht. Auch mit dem Hintergedanken, diese klimapolitisch neu aufzustellen. Das Problem besteht nun aber nicht im fehlerhaften Geschäftsmodell der Unternehmen sondern im Nachfrageschock. Somit wären Überbrückungskredite deutlich besser geeignet als eine Unternehmenstätigkeit des Staates, die angesichts sehr unterschiedlicher Zielvorstellungen nicht in den Kompetenzbereich des Staates oder seiner Vertretungen fällt. Das Argument eines nur vorübergehenden Einstieg des Staates ist wenig überzeugend, wenn man etwa an die Commerzbank oder die Deutsche Bahn denkt.
Auch die Fokussierung auf bestimmte Sektoren (Automotive) und Technologien (E-Mobilität) durch die Politik verletzt dieses Prinzip. Inwiefern politische Ad-hoc-Maßnahmen den notwendigen Strukturwandel sinnvoll unterstützen können oder die ausgewählte Technologie wirklich zukunftsfähig ist, wird letztlich der Markt entscheiden. Und das ist schlussendlich keine abstrakte Institution, sondern spiegelt unser aller Bedürfnisse und Wünsche als Konsument*innen wider. Eine Einflussnahme des Staates verletzt diese Selbstbestimmung. Zudem erfordert es den Einsatz (zu) vieler Ressourcen, die anderswo viel effizienter eingesetzt werden können. Aufgabe der Politik bleibt es, Rahmenbedingungen so für die Wirtschaft sicherzustellen, dass sie sich zum Wohle aller entwickeln kann. Eingriffe sind dabei nur zu rechtfertigen, wenn sie gezielt erfolgen und ein gesellschaftlich wünschenswertes Ziel verfolgen.
Wie können wir also aus ökonomischer Perspektive die Corona-Maßnahmen wie z.B. Lockdown, Kontaktbeschränkungen, Kurzarbeitergeld, Maskenpflicht und staatliche Beteiligung an Impfstoffentwicklern beurteilen?
Literatur:
Morasch, K., Bartholomae, F.W. (2017): Handel und Wettbewerb auf globalen Märkten, 2. aktual. u. erw. Aufl., Springer Gabler: Wiesbaden.
Bhagwati, J. N. (1971) “The generalized theory of distortions and welfare”. In: Trade, Balance of Payments and Growth. Papers in International Economics in Honor of Charles P. Kindleberger, Edited by: Bhagwati, J. N., Jones, R. W., Mundell, R. A. and Vanek, J. 69–90. Amsterdam: North-Holland.