Der schreckliche und brutale Tod von George Floyd Ende Mai in den USA und die daraus resultierenden weltweiten „Black Lives Matter“-Proteste sind auch an der Munich Business School nicht spurlos vorbeigezogen. Gemeinsam haben Vertreter*innen der Hochschule überlegt, wie ein nachhaltiges Zeichen gesetzt werden kann. Denn eines war von Anfang an klar: Als weltoffene Hochschule lehnt die MBS Diskriminierung jeglicher Art ab und ohne Diversität gäbe es die MBS nicht. Vor dem Hintergrund eines aufkeimenden Rassismus möchten wir das, wofür wir seit jeher stehen – Toleranz, Offenheit und Gleichberechtigung – stärker nach außen tragen, uns gezielt gegen Diskriminierung aussprechen, einen Diskurs schaffen, uns selbst am Schopfe packen und im Austausch stetig dazulernen. Das Interview legt dafür einen ersten Grundstein: Professor Dr. Stefan Baldi, Dekan der Munich Business School, MBS Professorin Dr. Sophie Hieke, MBA-Studentin Tebogo Mazibuko und MBS-Alumnus Minh Tran sprechen über ihre persönliche Wahrnehmung von Diversität und Inklusion sowie deren Bedeutung an der MBS und zeigen auf, wo die MBS schon positiv aufgestellt ist, wo es aber auch ganz klar noch Verbesserungspotenzial gibt und wie die Hochschule in Zukunft noch stärkere Impulse für Diversität und gegen Diskriminierung setzen kann.
MBS Insights: Was bedeutet Diversität und Inklusion für euch?
Prof. Dr. Sophie Hieke: Vielfalt. Schönheit. Diversifizierung. All die Dinge, die das Leben lebenswert machen. Wenn ich an meine Studierenden denke und mir vorstelle, alle wären genauso wie ich – dann würde ich nicht die Freude empfinden, die mir das Unterrichten in einem multikulturellen, internationalen und diversen Setting wie dem der MBS bereitet. Erst wenn mein Klassenraum so bunt ist wie die Welt da draußen, können wir wirklich über Themen diskutieren, unterschiedliche Ansichten und Meinungen einbringen und uns durchaus auch aneinander reiben. Aber vor allem können wir voneinander lernen und unseren Horizont erweitern. Ich bin fest davon überzeugt, dass Diversität erst dazu führt, dass wirklich Wert geschaffen werden kann. Wert im Austausch, Wert in der Ideen- und Lösungsentwicklung und Wert in menschlichen Beziehungen, die auf jeder Ebene, der privaten und der beruflichen, unersetzlich wichtig sind.
Minh Tran: Diversität und Inklusion steht für mich für eine offene und inklusive Gemeinschaft, die die Vielfalt der in ihr lebenden Menschen zelebriert. Egal welchen Alters, Geschlechts, sexueller Orientierung, Nationalität, Religion oder Behinderung – jede*r soll sich zugehörig fühlen können, ohne sich anpassen zu müssen. Differenzen sind natürlich da, sonst gäbe es keine Vielfalt. Aber man sollte die Menschen eben nicht durch diese Differenzen definieren. Als gebürtiger Münchner mit asiatischen Wurzeln werde ich häufig nach meiner Herkunft gefragt. “München” ist dabei oft keine ausreichende Antwort, denn die Frage zielt auf mein ausländisches Aussehen. Auch wenn die Intention meist gar nicht böse ist, fördert die Frage nach der Herkunft das Zugehörigkeitsgefühl eher selten. Man findet sich oft in einer Situation wieder, in der man dann seine Migrationsgeschichte erzählt und versucht zu rechtfertigen, warum man sich denn nun als deutsch identifiziert. Ich würde mich freuen, wenn die Antwort stattdessen einfach “Ah, cool!” wäre, denn eigentlich gibt es gar nichts, was ich rechtfertigen muss.
Tebogo Mazibuko: Wenn Diversität in einer Organisation gefördert wird, verstehe ich darunter, dass ich in meiner Authentizität dort vorkommen darf. Inklusion heißt, ich habe eine Stimme und diese Stimme wird auch gehört. Ein wesentlicher dritter Teil ist „Belonging“ bzw. Zugehörigkeit, denn eine Organisation sollte mich im Idealfall dazu inspirieren, mich mit und in meiner Einmaligkeit bestmöglich zu entfalten und mein Bestes zu geben.
MBS Insights: Und was bedeutet Diversität und Inklusion an der MBS und wie ist die Hochschule mit diesem Thema konfrontiert?
Prof. Dr. Stefan Baldi: Diversität und Inklusion waren schon immer Themen an der MBS. Unser Code of Conduct sowie unsere MBS-Werte – innovativ, verantwortungsbewusst und weltoffen – beziehen sich explizit auf Diversität. In der heutigen Businesswelt sind Diversität und Inklusion wichtige Themen und so ist es selbstverständlich, dass diese auch bei uns an einer modernen Wirtschaftshochschule einen Platz finden. Mit mehr als 70 Nationen auf einem Campus sind wir sind eine der internationalsten Wirtschaftshochschulen in Deutschland – diese Diversität kann man als eine Herausforderung sehen, wir präferieren aber, sie als eine einzigartige Chance wahrzunehmen! Wir beschäftigen uns aber auch mit anderen Dimensionen der Diversität, jenseits von Ethnie und internationaler Herkunft. So haben wir uns kürzlich dazu entschlossen, die Charta der Vielfalt zu unterzeichnen, um Vielfalt am Arbeitsplatz weiter zu fördern. Gleichzeitig sehen wir unsere Verantwortung aber auch über den Arbeitsplatz hinaus. Auch wenn ich Rassismus und Diskriminierung nicht als ein wesentliches Problem innerhalb der MBS wahrnehme, sind wir alle in der Welt um uns herum damit konfrontiert und deshalb müssen wir auch hier als Hochschule Verantwortung übernehmen und Stellung beziehen, um das Bewusstsein zu schärfen und diskriminierte Gruppen zu unterstützen. So wie Sexismus oder die Diskriminierung von Frauen nicht nur ein „Frauenproblem“ ist, genauso wenig ist Rassismus nur ein Thema von Black and People of Color. Wenn die Mehrheit schweigt, bedeutet das, aktiv den Status Quo zu zementieren. Wir müssen uns als MBS also nicht nur in diese Themen einfühlen, sondern auch ein aktiver Akteur des Wandels sein. Der brutale Tod von George Floyd Ende Mai diesen Jahres und die daraus resultierenden Diskussionen haben uns das nochmal deutlicher vor Augen geführt. Wir haben überlegt, wie wir als Hochschule reagieren sollen und haben beschlossen, nicht nur einen Hashtag oder ein schwarzes Bild an einem Tag zu posten, sondern uns nachhaltiger für Diversität und gegen Diskriminierung zu positionieren.
MBS Insights: In welchen Dimensionen der Diversität ist die MBS Ihrer Meinung nach schon positiv aufgestellt?
Prof. Dr. Stefan Baldi: In den vergangenen Jahren haben wir einige sichtbaren und gut dokumentierten Dimensionen der Diversität verfolgt. Wie bereits gesagt sind wir eine der internationalsten Wirtschaftshochschulen in Deutschland. Zwar sind einige Regionen noch unterrepräsentiert, aber wir diskutieren stets über die richtige Mischung für eine internationale Wirtschaftshochschule mit Sitz in Deutschland.
Außerdem ist das Geschlechterverhältnis in unserer Studierendenschaft mit 50:50 sehr ausgewogen. In den vergangenen Jahren haben wir auch einige Initiativen zur gezielten Förderung von Frauen in Führungspositionen unternommen. Auch unser Altersspektrum hat sich an der MBS durch unser MBA- und Executive and Education-Angebot verbreitert und reicht von 17 bis 50 Jahre. In Zukunft gilt es, diese Altersspanne noch besser zu nutzen und die Generationen näher zusammenzubringen.
Darüber hinaus gibt es an der MBS weitere weniger sichtbare Dimensionen der Vielfalt, wie beispielsweise Religion und sexuelle Orientierung. Auch wenn beide Dimensionen in unserer Kultur eher als private Angelegenheiten gelten, sollte niemand an der MBS Angst davor haben, seine Religion oder sexuelle Orientierung zu teilen und zu zeigen. Ich wünsche mir, dass die Menschen ihrer Orientierung gegenüber offener sind und sich mit Gleichgesinnten zur gemeinsamen Unterstützung zusammenfinden. Hier sollte die Hochschule eine Plattform für Vernetzung und Austausch bieten.
MBS Insights: Tebogo und Minh, wie nehmt bzw. habt ihr Diversität in eurem Studienalltag an der MBS wahrgenommen?
Tebogo: Es ist mir bewusst, dass Schwarze und andere nicht weiße Menschen insgesamt in der Minderheit sind, weshalb ich keine großen Erwartungen hatte, was Vielfalt in Bezug auf Race und Ethnizität an der MBS angeht. Umso überraschter und erfreuter bin ich, dass im Lehrstoff doch verschiedene Perspektiven behandelt werden und wir zum Beispiel im International Management Kurs eine Fallstudie eines südafrikanischen Großunternehmers betrachteten, woraufhin mir meine Kommiliton*innen viele handelsbezogene, politische und soziale Fragen zu meiner Heimat Südafrika stellten. Auf einer anderen Ebene der Diversität ist es für mich sehr inspirierend und erfrischend, während meines gesamten Studienerlebnisses an der MBS immer wieder Frauen begegnet zu sein, die mich wichtige Dinge gelehrt und mich bei vielen Projekten unterstützt haben.
Minh Tran: Ich habe die Munich Business School unter anderem wegen ihres internationalen Charakters als Studienort gewählt. Meine Mitstudierenden kamen aus vielen verschiedenen Ländern. Es gab also kein “normal” und auch keinen “Standard”. Vielmehr konnten wir uns einen eigenen Rahmen schaffen, zu dem jede*r etwas mit der eigenen Kultur beigetragen hat.
MBS Insights: Was meint ihr, wie die MBS eine positive Lernumgebung für alle Studierenden ganz gleich welcher Nationalität, Religion, Hautfarbe, sexueller Orientierung oder welchen Geschlechts schaffen kann? Was macht die MBS hier schon gut, wo besteht noch Verbesserungspotenzial?
Minh Tran: Eine positive Lernumgebung für alle Studierenden entsteht für mich, wenn Faktoren wie Nationalität, Religion, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, Geschlecht oder Behinderung keine Rolle spielen. An der MBS war es nie wichtig, woher man kommt oder welche Hautfarbe man hat. Es wird eher darauf geschaut, welche Werte man vertritt. Innovativ, verantwortungsbewusst und weltoffen – das sind die Werte der MBS und so habe ich die Hochschule auch wahrgenommen. Denn ich finde, dass die MBS ein Umfeld geschaffen hat, in dem verschiedene Kulturen aufeinandertreffen können, ohne dass Spannungen entstehen. Das ermöglicht eine gute Lernatmosphäre.
Tebogo: Positiv nehme ich wahr, dass Seminare und sonstige Lehrveranstaltungen sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch angeboten werden, die Professorenschaft divers ist bzw. über umfangreiche internationale Arbeits- und Lebenserfahrungen verfügt und die MBS auch Feste anderer Kulturen, wie zum Beispiel das indische Lichterfest Diwali, anerkennt und zelebriert. Darüber hinaus scheint es aber manchmal so, dass nicht weiße und nichteuropäische Studierende größeren Herausforderungen begegnen. Das betrifft beispielsweise unsere Erfahrungen mit den deutschen Behörden, wo viele Verträge und Formulare immer nur auf Deutsch vorliegen. Die MBS sollte auch darauf achten, dass nicht missverständlich der Eindruck von Diskriminierung entsteht. So hatten wir im MBA, wo es noch mehr internationale Studierende als schon in den Bachelor- und Masterprogrammen gibt, weniger Exkursionen zu Unternehmen als in den anderen Studienprogrammen. Gerade für uns internationale (MBA-)Studierenden ist es aber sehr wichtig, bei der Vorbereitung unserer Karriere in Deutschland unterstützt zu werden, da wir neu in dem Land sind.