Die Preise für Immobilien sind nach wie vor hoch. Doch wie wirken sich eigentlich Zinsen und deren Entwicklung auf die Immobilienpreise aus? Dr. Eva Stumpfegger und Dr. Florian Bartholomae von der Munich Business School erklären den Zusammenhang!
Trotz der Coronapandemie ist der Immobilienmarkt in Deutschland nach wie vor am Boomen, so sind allein im 2. Quartal die Preise gegenüber dem Vorquartal um 2,0% gestiegen (Details siehe hier). Dies setzt den seit über 10 Jahren bestehenden Trend steigender Immobilienpreise in Deutschland fort, wobei hier insbesondere wirtschaftlich starke (Groß-)Städte und Regionen – allen voran der Raum München – betroffen sind.
Das Prinzip von Angebot und Nachfrage
In einer Marktwirtschaft bestimmt Angebot und Nachfrage den Preis eines Gutes: Bei knappem Angebot und hoher Nachfrage nach Immobilien kommen nur diejenigen Interessenten zum Zug, die eine ausreichend hohe Zahlungsbereitschaft haben. Umgekehrt werden bei großem Angebot und wenigen Interessenten niedrigere Preise erzielt. Ökonomisch gesprochen setzt sich die kürzere Marktseite durch: Knappes Angebot – hohe Preise bzw. knappe Nachfrage – niedrige Preise.
So weit, so einfach. Aber wie wissen die Verkäuferinnen und Verkäufer sowie Kaufenden was eine Immobilie wert ist, das heißt, wie viel sie mindestens dafür haben oder maximal dafür bezahlen möchten? Eine wichtige Rolle bei dieser Preisfindung spielen die Zinsen.
Immobilienpreise und Zinsen: Der Zusammenhang einfach erklärt
Immobilienkäuferinnen und -käufer, die eine Wohnung oder ein Haus selbst beziehen möchten, beginnen üblicherweise mit einem Kassensturz: Wie hoch sind die Ersparnisse? Wie hoch ist das zum Wohnen verfügbare Einkommen? Die meisten Käuferinnen und Käufer verfügen nicht über ausreichend Eigenkapital, um ihre Immobilie direkt bezahlen zu können, was bedeutet, dass sie ein Darlehen bei einer Bank aufnehmen müssen. Dafür muss jährlich ein bestimmter Zinssatz i gezahlt werden.
Mithilfe dieses Zinssatzes kann nun ermittelt werden, wie hoch die Darlehenssumme maximal sein darf, wenn man einen bestimmten Betrag jedes Jahr für Zinsen aufbringen möchte. Auch wenn es auf den ersten Blick komplizierter erscheinen mag, ist es einfacher, davon auszugehen, dass man diesen Betrag für immer, d. h. bis in alle Ewigkeit, zahlen kann. Es ergibt sich damit ein Zahlungsstrom – die Zinszahlungen- , der bis in die Unendlichkeit reicht. Würde man alle Zahlungen einfach aufsummieren, wäre das natürlich unendlich viel Geld. Allerdings ist zu berücksichtigen, das 110 Euro in einem Jahr nicht so viel wert sind wie 110 Euro heute. Warum? Nun, wir könnten 100 Euro heute etwa zu 10 % anlegen und hätten nächstes Jahr dann auch 110 Euro. Somit sind bei einem Zins von 10 % 110 Euro in einem Jahr so viel wert wie 100 Euro heute. Weiterhin sind 121 Euro in zwei Jahren nach gleichen Überlegungen heute auch nur 100 Euro wert (121 = 100 * 1,1 * 1,1) – das bedeutet auch, dass Zahlungen heute umso weniger wert sind, je weiter sie in der Zukunft liegen. In unserem Beispiel würde uns daher eine Zinszahlung in 1000 Jahren kaum interessieren. Man spricht hierbei von Diskontierung: Zukünftige Zahlungen werden unter Zuhilfenahme des derzeitigen Marktzinses auf heute bezogen. Da diese Zahlungen dann alle den gleichen Bezugswert haben, können wir sie auch addieren. Diese Summe wird dann als Barwert (BW) bezeichnet und gibt uns somit den Wert eines Zahlungsstroms an.
Niedrige Zinsen = hohe Immobilienpreise, hohe Zinsen = niedrige Immobilienpreise?
Den Barwert sämtlicher Zinszahlungen kann man als maximalen Kaufpreis für eine Immobilie interpretieren. Nehmen wir an, dass uns jährlich 1.000 Euro für Zinszahlungen zur Verfügung stehen. Der Barwert eines unendlichen Zahlungsstroms lässt sich einfach mittels BW = a/i berechnen. Bei einem Zinssatz von i = 0,5% und einer jährlichen Zahlung von a = 1.000 Euro ergibt sich somit ein Barwert von BW = 1.000 Euro/0,005 = 200.000 Euro. Für das verfügbare Zinsbudget kann eine Käuferin oder ein Käufer Zinszahlungen für einen Kredit in Höhe von 200.000 Euro bedienen.
Bei deutlich höheren Zinsen, beispielsweise i = 2%, sinkt mit den gleichen 1.000 Euro an Zinszahlungen der Betrag deutlich auf BW = 1000 Euro/0,02 = 50.000 Euro. Das bedeutet, je höher die Zinsen sind, desto weniger kann man sich leisten, da künftige Zahlungen sehr stark zu berücksichtigen sind. Auf die derzeitige Situation übertragen, können potenzielle Käuferinnen und Käufer bei dem momentan sehr niedrigen Zinsniveau ein deutlich höheres Kreditvolumen stemmen, als dies etwa vor 20 Jahren der Fall war.
Da zeitgleich – insbesondere in wirtschaftlich starken Regionen – die Arbeitslosigkeit gesunken und Einkommen gestiegen sind, ist nicht nur der Nenner (Zinssatz) gesunken, sondern auch der Zähler (verfügbarer Betrag für Zinszahlungen) gestiegen. Man kann einfach ausrechnen, dass jede Steigerung des Nettoeinkommens die mögliche Kreditsumme proportional erhöht.
Anders sieht die Situation aber für Investorinnen und Investoren aus, die Einkommen aus einer Immobilie durch Vermietung generieren möchten. Hier gilt, dass hohe Einstandspreise mit einer geringen Rendite einhergehen. Dazu können wir ebenfalls auf die obigen Beispielrechnungen zurückgreifen und diese anders interpretieren.
Die 1.000 Euro wären die (Netto-)Mieteinnahmen, die 0,5% bzw. 2% die Renditeerwartung der Investorin oder des Investors und die Barwerte entsprechen – wie vorher – dem Kaufpreis.
Warum akzeptieren Investorinnen und Investoren solche (historisch) niedrigen Renditen? Die Erklärung ist einfach: Aufgrund des Zinsniveaus bieten andere als sicher geltende Investitionsmöglichkeiten wie Staatsanleihen ebenfalls niedrige Renditen – hier ist bei sehr langfristigen Anleihen sogar eine negative Verzinsung gegeben. Mangels Alternativen werden darum hohe Immobilienpreise akzeptiert.
Natürlich gibt es noch viele weitere Faktoren, die die Immobilienpreise beeinflussen, allerdings ist, wie gezeigt, die Hebelwirkung der Zinsen enorm.
Was wird wohl passieren, wenn sich das Zinsniveau ändert?
Für Inhalt und Form dieses Beitrags sind die Autor*innen verantwortlich.
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