Belarus im Fokus: Ein Abend mit Schriftstellerin Dr. Volha Hapeyeva

Volha Hapeyeva Portrait

Warum eigentlich Belarus? Vielleicht hatten sich das die mehr als 120 Studierenden gefragt, die sich am 17. März zu unserem Gespräch mit unserem Gast aus Belarus online einloggten: Dr. Volha Hapeyeva, Schriftstellerin, Dichterin, Linguistin und zurzeit Writer-in-Exile-Stipendiatin des deutschen PEN-Zentrums in München. Sie arbeitet hier an einem Gedichtband für Kinder, eine Anthologie ungereimter Gedichte in Kooperation mit der Internationalen Jugendbibliothek in München soll es werden. Aber warum spricht sie vor Studierenden der Internationalen Betriebswirtschaft?

Soziale und politische Entwicklungen in der Welt und erst recht in Europa dürfen uns nicht kalt lassen, insbesondere wenn sie mit solcher Gewalt beantwortet werden wie in Belarus. Die Mechanismen einer Diktatur und die gesellschaftliche Rolle von Frauen – das waren unsere zentralen Fragen für die Gesprächsrunde, die wir im Rahmen der Kurse Current Topics und Culture and Society im Bachelor International Business für alle interessierten MBS-Studierenden organisiert hatten, denn diese Fragen gehen alle etwas an.

Volha Hapeyeva sprach über ihr gerade erst auf Deutsch erschienenes Buch Camel Travel, in dem sie – autobiographisch gefärbt – über eine Kindheit und das Heranwachsen in der zerfallenden UdSSR berichtet. Erst die Freiheit: Belarus wird selbständig und die belarusische Sprache wird unter der Perestroika bis zur Staatssprache wiederbelebt und erlebt eine Blüte, die jedoch nur von kurzer Dauer ist. Dann das autoritäre Regime: Der seit 1994 amtierende Präsident Lukaschenka führte das Russische als zweite Amtssprache ein und seither geht die Verwendung des Belarusischen nicht nur stetig zurück, sondern gilt zuweilen als Ausdruck der Proteste, die seit den Präsidentschaftswahlen im August 2020 nicht abebben. „Sprache ist immer auch politisch“, erklärt Volha Hapeyeva auf unsere verwunderte Frage, warum eine Nation die eigene Sprache zugunsten des Russischen aufzugeben scheint.

Frauen sind prominente Akteurinnen der Protestbewegung, vermutlich wurde sogar eine Frau zur Staatspräsidentin gewählt – ist in Belarus die Gleichberechtigung von Frauen verwirklicht? Statistiken legen das nahe: die höchste Erwerbsquote von Frauen in Europa, der höchste Frauenanteil im Parlament – auch wenn der Staatspräsident vor den Wahlen 2020 erklärte: „Unsere Verfassung ist nicht für die Frauen geschrieben, unsere Gesellschaft ist auch nicht reif genug, um für eine Frau abzustimmen. Ich bin mir sicher, dass ein Mann wieder Präsident wird.“ (Trubetskoy, 2020) Laut Volha Hapeyeva ist das alles ein einziges Theater: Alles werde von Lukaschenka gesteuert, Parlamentsabgeordnete seien lediglich Marionetten des Präsidenten. Und zur Protestbewegung: Die Frauen, die sich anstelle ihrer Männer als Kandidatinnen zur Wahl stellten, traten an mit dem Ziel, ihren Platz für die Männer räumen zu wollen, sobald diese wieder aus dem Gefängnis entlassen würden. Also selbst wenn die Protestbewegung gewinnen würde, wäre das Ergebnis sicher keine emanzipierte Stellung von Frauen in einem neu ausgerichteten Staat.

Wie kann es sein, dass immer noch Menschen gegen die Wahlfälschung und für den Abtritt Lukaschenkas protestieren, wenn sie von der OMON, einer Spezialeinheit der Miliz, brutal zusammengeschlagen und in Haft misshandelt werden? Ja, das sei heldenhaft, meint Volha Hapeyeva dazu. Die Zeit Lukaschenkas sei zwar in absehbarer Zeit abgelaufen, aber eine baldige Verbesserung der Lage sei noch nicht in Sicht, die Hoffnungen der Protestbewegung würden sich nicht so bald erfüllen.

Ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch das gesamte Interview zog, schloss sich, als sie gefragt wurde, welchen Rat sie den MBS-Studierenden mit auf den Weg geben würde: Sich selbst treu bleiben und unbeirrt von den Moden der Zeit oder dem Urteil der Mehrheit agieren. Volha ist dafür ein Paradebeispiel – aufgrund ihres beruflichen Werdegangs, ihrer Publikationen, der Fragen, die sie stellt, und ihrer Leidenschaft für die Sprache. Nicht viele können mit ihren Leistungen mithalten.

„Sie erwähnen in ihren Werken häufig den Schnee, warum?“ lautete eine Frage aus der Reihe der Studierenden. Kurz nach ihrer Geburt habe es damals endlich geschneit, so Volha Hapeyeva, das war ein Grund zur Freude. Für uns war es eine große Freude, einen so inspirierenden Gast begrüßen zu dürfen. Vielen Dank für die interessanten Einblicke!

Quellen:
Trubetskoy, Denis (28. September 2020): Die mutigen Frauen von Minsk. Ntv.de (Letztes Abrufdatum: 26.03.2021)

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Gabriella Maráz ist Professorin für Interkulturelles Management und Methodenlehre mit den Schwerpunkten Informations- und Kommunikationspsychologie und Arbeitstechniken.
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Christopher Weilage, Professor für Betriebswirtschaft und Business Communication, beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Themen International Business und Kommunikation. Weilage absolvierte seinen MBA International Business an der Moore School of Business der University of South Carolina, USA und anschließend den IMBA International Business an der Helsinki School of Economics and Business in Finnland. Am Lehrstuhl für Deutsch als Fremdsprache der LMU München promovierte der gebürtige US-Amerikaner zum Thema E-Learning.