Aufgrund der Informationsflut und der daraus resultierenden Entscheidungsunfähigkeit der Verbraucher*innen werden Empfehlungssysteme zunehmend zu einem wichtigen Instrument im E-Commerce. Doch wie beeinflussen diese Systeme die Kaufabsichten der Konsument*innen? Eine neue Studie, die im Rahmen einer Masterarbeit an der Munich Business School durchgeführt wurde, untersucht diese Frage am Beispiel von Taiwan.
„Digital vernetzt zu sein, verändert substanziell die Art und Weise, wie Unternehmen im Wettbewerb erfolgreich sind.“
Jung, Kraft, 2017
Mit den Fortschritten in der Informationstechnologie spielt der E-Commerce eine wichtige Rolle in unserem täglichen Leben und bietet den Verbraucher*innen ein hohes Maß an Komfort. Allerdings neigen Verbraucher*innen dazu, von der ständig wachsenden Menge an produktbezogenen Inhalten, die sie erhalten, überwältigt zu werden, und leiden folglich unter einer Informationsüberlastung, die zu einer schlechten Entscheidungsfindung führen kann. Um diese Informationsflut zu bewältigen, werden Empfehlungssysteme zunehmend zu einem wichtigen Werkzeug im E-Commerce. Das Hauptmerkmal von Empfehlungssystemen ist ihre Fähigkeit, das Benutzer*innenverhalten zu analysieren, insbesondere im Hinblick darauf, für welche Artikel sich ein*e bestimmte*r Benutzer*in interessieren könnte, und den Konsument*innen entsprechend ihrer Vorlieben und Verhaltens Artikelvorschläge zu machen (Lu, Wu, Mao, Wang & Zhang, 2015, S. 12). Um Empfehlungen zu generieren, folgen Empfehlungssysteme einem Prozess, der aus drei Phasen besteht. In der ersten Phase sammelt das System umfangreiche Informationen über Benutzer*innen, um ein tieferes Verständnis der Zielbenutzer*innen zu erlangen und eine solide Grundlage für zukünftige Phasen zu schaffen. Dieser Input kann entweder explizites Feedback sein, wie z. B. Produktbewertungen, oder implizites Feedback, wie z. B. die Kaufhistorie. In der zweiten Phase filtert und nutzt das Empfehlungssystem die in der ersten Phase gesammelten Daten, indem es einen maschinellen Lernalgorithmus einsetzt. Schließlich prognostiziert das System und präsentiert den Benutzer*innen Produktempfehlungen (Isinkaye, Folajimi & Ojokoh, 2015, S. 263-264).
Empfehlungssysteme – ein mächtiges Tool zur Entscheidungsfindung und Beeinflussung der Kaufabsicht
Basierend auf den Datenfilterungs- und Bewertungsschätzungsmethoden werden Empfehlungssysteme üblicherweise in folgende Kategorien unterteilt: inhaltsbasierte, kollaborative und hybride Filtersysteme. Bei der inhaltsbasierten Filtertechnik wird die Empfehlung durch den Abgleich des Inhalts von Elementen und der Benutzer*innenprofile generiert. Die Inhalte der Elemente werden als eine Menge von Beschreibungen dargestellt, die aus den Merkmalen der Elemente extrahiert werden. Das Profil des*der Nutzer*in besteht aus den Informationen über die Interessen, Vorlieben und Bedürfnisse des*der Benutzer*in und wird durch die Analyse der Artikelmerkmale erstellt, die der*die Benutzer*in in der Vergangenheit gekauft oder angesehen hat (Lops, Gemmis & Semeraro, 2011, S. 75).
Kollaboratives Filtern betrachtet die Meinungen anderer Benutzer*innen als wichtigen Faktor und schlägt einer Person Empfehlungen basierend auf der Analyse anderer Benutzer*innen vor, die ähnliche Präferenzen haben (Sivapalan, Sadeghian, Rahnama & Madni, 2014, S. 163). Dieser Ansatz erfordert historische Daten und frühere Bewertungen von Benutzer*innen und funktioniert durch den Aufbau einer Datenbank, die aus den Präferenzen der Benutzer*innen für Artikel besteht, und die Suche nach den Benutzer*innen, die über Gemeinsamkeiten mit dem Zielperson verfügen (Cheng, Wang, 2014, S. 290).
Die hybride Filterung wurde vorgeschlagen, indem zwei oder mehr Empfehlungstechniken kombiniert werden, um eine höhere Leistung zu erreichen und die Einschränkungen der einzelnen Techniken zu vermeiden (Isinkaye, Folajimi & Ojokoh, 2015, S. 269). Am häufigsten kombiniert der hybride Filteransatz die Stärken der inhaltsbasierten und kollaborativen Filteransätze, um Empfehlungssysteme zu optimieren (Bagherifard, Rahmani, Nilashi & Rafe, 2017, S. 1777).
In dieser Studie – entstanden im Rahmen einer Abschlussarbeit an der Munich Business School – sollen die Faktoren untersucht werden, die die Kaufabsicht der Konsument*innen in Bezug auf die von Empfehlungssystemen vorgeschlagenen Produkte beim Online-Shopping beeinflussen, um eine ganzheitliche Sicht auf Empfehlungssysteme aus der Perspektive der Konsument*innen zu gewinnen. Zu diesem Zweck integriert unser Forschungsmodell das von Venkatesh, Morris, Davis & Davis (2003) vorgeschlagene UTAUT-Modell (Unified Theory of Acceptance and Use of Technology) mit dem von Malhotra, Kim & Agarwal (2004) vorgeschlagenen IUIPC-Modell (Internet Users’ Information Privacy Concerns). Das UTAUT-Modell hilft dabei, die Wahrnehmungen und Verhaltensabsichten der Benutzer*innen gegenüber Empfehlungssystemen zu verstehen, während das IUIPC-Modell die Datenschutzbedenken der Benutzer*innen in Bezug auf Empfehlungssysteme untersucht. Um darüber hinaus besser zu verstehen, was eine Empfehlung für Konsument*innen nützlich macht, beinhaltet dieses Forschungsmodell die drei Faktoren, die die Leistungserwartung beeinflussen, d.h. Empfehlungsgenauigkeit, Neuartigkeit und Vielfalt.
Um die Einflussfaktoren auf die Kaufabsicht taiwanesischer Online-Käufer*innen für empfohlene Produkte zu untersuchen, wurde ein quantitativer Forschungsansatz gewählt. Insgesamt konnten über eine Online-Umfrage, die über Social-Media-Plattformen und Messaging-Anwendungen verteilt wurde, insgesamt 276 vollständige und gültige Antworten gesammelt werden.
Wie Empfehlungssysteme designt und entwickelt sein sollten
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Vertrauen der Konsument*innen in Empfehlungssysteme und die Leistungserwartung von Empfehlungssystemen wichtige Faktoren sind, die die Kaufabsicht beeinflussen, und dass Empfehlungsgenauigkeit, Neuartigkeit und Vielfalt indirekt die Kaufabsicht beeinflussen, indem sie die Wahrnehmung der Kundschaft über die Leistungserwartung von Empfehlungssystemen prägen. Daher macht diese Studie mehrere praktische Vorschläge, um das Design und die Entwicklung von effektiven Empfehlungssystemen durch Dienstleistungsorganisationen zu erleichtern.
Aufbau von Vertrauen
- Stellen Sie sicher, dass die vorgeschlagenen Empfehlungen vorrangig die Interessen des*der Verbraucher*in und nicht die des Unternehmens berücksichtigen. Da das Empfehlungssystem die Optionen für die Verbraucher*innen einschränkt, kann es sie bis zu einem gewissen Grad in die gewünschte Richtung des Dienstanbieters lenken.
- Behandeln Sie Produktbewertungen mit Vorsicht und sortieren Sie gefälschte Bewertungen aus, um Produkte mit Glaubwürdigkeit und Authentizität zu vermitteln. Da Produktbewertungen ein wichtiger Input für Empfehlungssysteme sind, um Empfehlungen zu generieren, ist es wahrscheinlich, dass die von den Empfehlungssystemen vorgeschlagenen Produkte gefälschte Bewertungen enthalten, was zu einem Vertrauensverlust bei den Verbraucher*innen führt, wenn sich die Dienstanbieter des Problems der gefälschten Bewertungen nicht bewusst sind und es nicht angehen.
Den Nutzen von Empfehlungssystemen verbessern
- Verbessern Sie die Fähigkeit von Empfehlungssystemen, die aktuellen Interessen und Bedürfnisse der Verbraucher*innen sofort zu erkennen, um sie bei der schnellen Suche nach den idealen Produkten zu unterstützen und ihnen zu helfen, die Effizienz der Produktsuche und Entscheidungsfindung zu erhöhen.
- Optimieren Sie die maschinellen Lernmodelle für wünschenswertere Empfehlungen und finden Sie ein Gleichgewicht zwischen Empfehlungsgenauigkeit, Neuartigkeit und Vielfalt, anstatt sich nur auf eines davon zu konzentrieren.
Diese Studie vergleicht Verbraucher*innen der Generation X und der Generation Y in Taiwan, da die Verbreitung von Online-Einkäufen bei beiden Generationen höher ist als bei jeder anderen Altersgruppe und das Potenzial hat, weiter zu wachsen. Es ist erwähnenswert, dass Konsument*innen, die verschiedenen Generationskohorten angehören, unterschiedliche Wahrnehmungen gegenüber empfohlenen Produkten haben, was zu unterschiedlichen Standards für die Nützlichkeit von Empfehlungssystemen führt. Daher sollten Service-Anbieter vor dem Vorschlagen von Empfehlungen unterscheiden, welcher Generation die Verbraucher*innen angehören, um die empfohlenen Produkte entsprechend den Eigenschaften jeder Generation zu präsentieren und die Kaufabsicht der Verbraucher*innen effektiv zu fördern. Um den Verbraucher*innen ein sicheres Einkaufserlebnis zu bieten, sollten Dienstleister ihnen auch die Kontrolle über persönliche Daten und Empfehlungen ermöglichen, Datenschutzrichtlinien klar offenlegen und die Verbraucher*innen über die Art und Weise informieren, in der Empfehlungssysteme Daten sammeln und verwenden.
Mit diesem Blogbeitrag wollen wir Studierende dazu motivieren, neue Features und Funktionalitäten von digitalen Customer Experience Touchpoints wie Websites, digitalen Plattformen, Apps, Chatbots und mehr weiter zu analysieren. Zum einen ist dies absolut relevant, aber in vielen Bereichen noch Neuland für die Forschung. Zum anderen werden die Studierenden davon profitieren, die Akzeptanz neuer digitaler Touchpoints durch die Kund*innen zu verstehen, und tiefe Einblicke gewinnen, die ein echter Schub für ihre weitere Forschung oder Geschäftskarriere sein werden.
Quellen:
- Bagherifard, K., Rahmani, M., Nilashi, M. & Rafe, V. (2017). Performance improvement for recommender systems using ontology. Telematics and Informatics, 34(8), S. 1772-1792.
- Cheng, L., Wang, H. (2014). A fuzzy recommender system based on the integration of subjective preferences and objective information. Applied Soft Computing, 18, S. 290-301.
- Isinkaye, F., Folajimi, Y. & Ojokoh, B. (2015). Recommendation systems: Principles, methods and evaluation. Egyptian Informatics Journal, 16(3), S. 261-273.
- Jung, H.H., Kraft, P. (2017). Vorwort, in, Jung, H.H., Kraft, P.: Digital vernetzt. Transformation der Wertschöpfung. Szenarien, Optionen und Erfolgsmodelle für Geschäftsmodelle, Produkte und Services, S. 5-11. München, Hanser.
- Lops, P., Gemmis, M. D. & Semeraro, G. (2011). Content-based Recommender Systems: State of the Art and Trends. In Ricci F., Rokach L., Shapira B., Kantor P. (Eds.), Recommender Systems Handbook (S. 73-105). Boston, MA: Springer.
- Lu, J., Wu, D., Mao, M., Wang, W. & Zhang, G. (2015). Recommender system application developments: A survey. Decision Support Systems, 74, S. 12-32.
- Malhotra, N. K., Kim, S. S. & Agarwal, J. (2004). Internet Users’ Information Privacy Concerns (IUIPC): The Construct, the Scale, and a Causal Model. Information Systems Research, 15(4), S. 336-355.
- Sivapalan, S., Sadeghian, A., Rahnama, H. & Madni, A. M. (2014). Recommender systems in e-commerce. 2014 World Automation Congress (WAC), S. 179-184.
- Venkatesh, V., Morris, M. G., Davis, G. B. & Davis, F. D. (2003). User Acceptance of Information Technology: Toward a Unified View. MIS Quarterly, 27(3), S. 425-478.
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