Alibabas „Reise nach dem Westen“

Die „Reise nach dem Westen“ (西游记) von Wu Cheng’en gehört zu den vier klassischen Romanen Chinas. Die während der Ming Dynastie verfasste Geschichte über den „König der Affen“, der sich zusammen mit einem Mönch in Richtung Indien aufmacht, um die heiligen Schriften Buddhas nach China zu bringen, kennt in China jedes Kind. Fast ebenso bekannt dürfte die Geschichte des Holzfällers Alibaba sein, dem Namensgeber des bekanntesten Internet-Unternehmens Chinas, der Alibaba Group (阿里巴巴集团). Für die Alibaba Group wird die Reise in den Westen durch den Börsengang an der New York Stock Exchange in den kommenden Wochen einen vorläufigen Höhepunkt erreichen.

Alibaba ist ein Unternehmen mit einer besonders starken Unternehmenskultur, welche durch den ausgesprochen charismatischen Gründer Jack Ma (马云, hält 8,9% der Anteile) geprägt wird. Seine Maxime beim Aufbau der Alibaba Group lautete immer „Customers first, Employees second, and Shareholders third“. Der Wert des Unternehmens Alibaba wird heute je nach Quelle auf 133 bis 200 Milliarden US$ geschätzt.

Das häufig fälschlicherweise als „Amazon Chinas“ bezeichnete Unternehmen startete 1999 als B2B-Website mit dem Ziel, chinesische Produzenten und westliche Einkäufer zu verknüpfen. Heute betreibt die Alibaba Group eine Vielfalt von Plattformen, wie zum Beispiel Taobao Marketplace (淘宝网, ähnlich ebay), Tmall.com (天猫, B2C Online Shopping Mall mit zahlreichen Markenshops), AliExpress (阿里巴巴全球速卖通, weltweiter B2B und B2C Online Shop) und diverse weitere.

Nach eigenen Angaben hat Alibaba über 230 Millionen aktive Kunden, die jedes Jahr 11,3 Milliarden Bestellungen aufgeben. Dies resultierte 2013 in einem Umsatz in Höhe von 5,35 Milliarden und einem Gewinn von 2,72 Milliarden Euro. Über seine (ausgegründete) Bezahlplattform AliPay (支付宝), die auch von anderen Plattformen genutzt werden kann und dem amerikanischen PayPal ähnelt, wickelte Alibaba allein 2013 519 Milliarden US$ ab.

Nachdem die Verhandlungen mit der Börse in Hongkong an der Shareholder-Struktur von Alibaba gescheitert waren, wählt das Unternehmen nun den Weg an die Börse in New York. Nicht nur finanziell wird Alibaba vom Börsengang profitieren. Vielmehr steigert Alibaba durch den Gang an die NYSE seine Bekanntheit außerhalb Chinas. Dies wird vor allem Aliexpress zugutekommen, das zu einem globalen Online-Shop ausgebaut werden soll– und das so zu einem großen Wettbewerber von Amazon werden könnte. Die „Reise nach dem Westen“ hat für Alibaba erst begonnen.

MBS Prof. Dr. Christian Schmidkonz
Über Prof. Dr. Christian Schmidkonz 43 Artikel
Prof. Dr. Christian Schmidkonz ist Studiengangsleiter des Programms "Master International Business" an der Munich Business School. Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Conscious Business, Happiness at Work sowie Wirtschaft in China und Taiwan. Christian Schmidkonz hält ein Diplom in Volkswirtschaftslehre von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er studierte Chinesisch an der Fu Jen Universität in Taiwan und ist Alumnus des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Nach Stationen am ifo Institut für Wirtschaftsforschung und bei der internationalen Unternehmensberatung Capgemini gewann er als Entrepreneur 2008 den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ausgeschriebenen Gründungswettbewerb „Multimedia“. Christian Schmidkonz wurde 2020 mit dem erstmalig vergebenen „MBS Teaching Award" ausgezeichnet.