Mithilfe der Spieltheorie erklärt Dr. Florian Bartholomae, Professor für VWL an der Munich Business School, warum es wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive schwierig ist, mit Santa und den Geschenken.
Alle Jahre wieder zur Weihnachtszeit warten wir gespannt auf die Geschenke von Santa Claus. Wie allseits bekannt, prüft er seine Liste zweifach, um herauszufinden, wer unartig (naughty) oder artig (nice) war und verteilt entsprechend Geschenke oder Kohle. Aufgrund der schlechten CO2-Bilanz von Kohle verzichtet er aber in letzter Zeit darauf und bringt einfach gar nichts. Auf der anderen Seite fällt es den meisten aber doch recht schwer, diesen hohen Ansprüchen zu genügen, da immer artig zu sein auch recht langweilig sein kann.
Mithilfe der Spieltheorie wollen wir uns nun überlegen, wie Santa und wir uns verhalten werden. Insbesondere interessiert uns, welches Ergebnis prognostiziert wird, also, ob es Geschenke gibt oder nicht. Wir haben hier zwei Spieler, Santa und uns. Beide Spieler haben unterschiedliche Interessen: Santa möchte zu artigem Verhalten ermuntern, wir mögen zwar gerne beschenkt werden, dafür aber auch nicht immer brav sein. Wir haben somit zwei Strategien: brav sein wie ein Engel oder unartig wie ein Teufelchen. Santa wiederum kann Geschenke bringen oder unseren Strumpf mit Kohle füllen. Je nachdem, welche Strategien gewählt wurden, wird die Situation unterschiedlich bewertet – dies drücken die Zahlen in der Abbildung aus. Je höher diese Auszahlungen sind, umso besser ist es für den Spieler.
Wir wollen uns nun überlegen, was in diesem Spiel passiert: Gehen wir davon aus, dass wir nicht ganz so brav waren, Santa sich aber entschieden hat, uns zu beschenken – wir sind also links unten in der Matrix. Kann das die Lösung des Spiels sein? Das übliche Lösungskonzept, das sogenannte Nash-Gleichgewicht, fordert, dass in einem Gleichgewicht keiner der Spieler einen Anreiz hat, davon abzuweichen. Liegt ein solches bei unartig und Geschenk vor? Die Antwort ist nein! Santa wird ganz sicher nicht unartiges Verhalten belohnen wollen, sondern uns durch Kohle zeigen, dass unser Verhalten nicht in Ordnung war – wir sehen dies in der Matrix daran, dass die Auszahlung, wenn wir uns unartig verhalten, für Santa bei Kohle (100) höher als beim Geschenk ist (-100). Haben wir nun ein Gleichgewicht bei unartig und Kohle gefunden? Leider auch wieder nicht. Dieses Mal sind wir es, die damit nicht zufrieden sein werden. Wer möchte schon Kohle bekommen? Wir werden es also bevorzugen brav zu sein (50 anstelle von 0), um Santa zu zeigen, dass er einen Fehler gemacht hat. Damit können wir uns schon vorstellen, dass artig und Kohle auch kein Gleichgewicht sein kann. Santa wird natürlich unser braves Verhalten mit einem ordentlichen Geschenk belohnen wollen. Damit landen wir in der schönen Situation, dass wir artig sind und ein Geschenk erhalten. Ein wunderbares Gleichgewicht…. Das aber leider auch wieder keines ist: Warum nicht alles haben wollen: Spaß und Geschenke? Wir werden also abweichen wollen, womit wir wieder bei unartig und Geschenk angelangt sind. Also am Anfang unserer Geschichte. Was bedeutet das?
Es heißt, dass es hier leider kein Gleichgewicht gibt, zumindest nicht in reinen Strategien, wie sie hier vorliegen. Bei dem hier beschrieben Spiel handelt es sich um das sogenannte Kontrollspiel (Bartholomae/Wiens 2020). Anderes Anwendungsbeispiel sind z.B. das Verhalten zwischen einem Fahrgast, der zwischen Ticketkauf und Schwarzfahren entscheiden kann und einem Kontrolleur, der kontrollieren kann oder nicht. Im Wirtschaftskontext ist auch die Überwachung der Arbeitnehmer ein Anwendungsbeispiel: Die Arbeitskraft hat die Wahl, ob sie fleißig oder eher faul ist und die Führungskraft kann das Verhalten überwachen oder nicht. In all diesen Fällen kommen wir zum gleichen Ergebnis: Es gibt kein Gleichgewicht in reinen Strategien.
Tatsächlich gibt es aber ein Gleichgewicht in gemischten Strategien. Bei solchen Strategien wählen die Spieler ihre Strategie nicht mit Sicherheit, sondern nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. In unserem Beispiel würde sich dann ein Gleichgewicht einstellen, wenn wir mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% artig ist und Santa uns mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% beschenkt. Wie kommen wir auf diese Wahrscheinlichkeit? Wenn immer Santa eine bestimmte Strategie wählt, haben wir eine beste Antwort: Verteilt er Geschenke, wollen wir unartig sein, bekommen wir Kohl, dann wollen wir brav sein. Bei genau 50% ist aber unsere erwartete Auszahlung in beiden Fällen gleich.
Fassen wir also zusammen: Wenn Sie dieses Jahr kein Geschenk vom Weihnachtsmann erhalten haben, liegt das nicht notwendigerweise an Ihnen, sondern nur am schlechten Ausgang dieser Weihnachtslotterie! In diesem Sinne: Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr!
Literatur:
Bartholomae, FW; Wiens, M: Spieltheorie – Ein anwendungsorientiertes Lehrbuch, Springer Gabler: Wiesbaden, 2. akt. und erw. Aufl., 2020.