Die wachsende Bedeutung von Beschaffungs- und Supply-Chain-Management

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Das Beschaffungs- und Supply-Chain-Management hat sich in den letzten Jahrzehnten neu definiert: von einer verwaltungstechnischen hin zu einer strategischen Aufgabe. Was bedeutet dieser Rollenwechsel und wirkt er sich auch positiv auf die Gehälter von Manager*innen im Beschaffungswesen aus? Wir verraten es!


Es ist unbestritten, dass sich das Beschaffungswesen in den letzten Jahrzehnten von seiner verwaltungstechnischen Aufgabe der Bestellannahme zu einer strategischen Rolle weiterentwickelt hat. Das moderne Beschaffungswesen arbeitet funktionsübergreifend mit einem viel umfassenderen Aufgabenbereich, als das früher der Fall war: angefangen bei der Auswahl von Lieferant*innen über die Pflege von der Beziehungen mit ebendiesen bis hin zur Entwicklung einer Lieferstrategie für das Unternehmen sowie der Bildung von Kooperationen zwischen Lieferant*innen und dem hauseigenen Personal.

Das erweiterte, moderne Beschaffungs- und Supply-Chain-Management erhöht den Wettbewerbsvorteil von Unternehmen, indem es die Ressourcen externer Lieferant*innen mit einbezieht. Dieser stärkere Beitrag zugunsten des Wettbewerbsvorteils spricht wiederum für die gestiegene Bedeutung des Beschaffungswesens. Und umgekehrt: Der Erfolg des Supply-Chain-Managements ist heute wichtiger für den Gesamterfolg eines Unternehmens als früher.

Im universitären Bereich und in der Industrie hat der Rollenwandel des Beschaffungswesens in den letzten Jahrzehnten viel Aufmerksamkeit gefunden. In diesem Blogbeitrag möchte ich untersuchen, ob diese neue Rolle auch tatsächlich eine wichtigere Rolle ist; und ob sich dies auch positiv auf die Gehaltsstruktur von Manager*innen im Beschaffungswesen auswirkt – was die studentischen Leser*innen dieses Blogs wahrscheinlich am meisen interessiert.

Zwei Trends im Beschaffungs- und Supply-Chain-Management

In der gesamten Fachliteratur wird auf zwei Trends in der Entwicklung des Beschaffungswesens hingewiesen, die die gestiegene Bedeutung dieses Bereichs in den letzten Jahrzehnten verdeutlichen. Ein Trend ist die Entwicklung des Beschaffungswesens hin zu einer strategischen Funktion in Unternehmen, wobei besonders die steigende Präsenz von Führungskräften aus dem Beschaffungswesen auf strategischer Ebene und deren Einbindung in die Gesamtstrategie der Unternehmen hervorgehoben werden (Gadde & Håkansson, 1994; Carr & Pearson, 2002; Feisel et al, 2008). Beim zweiten Trend geht es um die Fähigkeit des Beschaffungswesens, zum Wettbewerbsvorteil einer Organisation beizutragen (Carr & Pearson, 2002; Luzzini et al, 2015; Knoppen & Saenz, 2015).

In den 1980er Jahren lenkte Porters Einbezug von Lieferant*innen und Einkäufer*innen in sein Modell der fünf Wettbewerbskräfte die Aufmerksamkeit darauf, wie das Beschaffungs- und Supply-Chain-Management einen wesentlichen Bestandteil der Unternehmensstrategie bilden könnte. Jedoch entwickelte sich das Beschaffungswesen bis Ende der 1980er nur langsam Richtung strategische Funktion (Ellram & Carr, 1994; Van Weele & Van Raaij, 2014). Seitdem jedoch widmen die Forschungsgemeinschaft und die Industrie der wachsenden strategischen Rolle des Beschaffungswesens vermehrte Aufmerksamkeit (Van Weele & Van Raaij, 2014).

Unternehmerische Nachhaltigkeit stärkt die strategische Rolle des Beschaffungswesen

Eine weitere treibende Kraft der strategischen Rolle des Beschaffungswesens ist die wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeit in Unternehmen (Giunipero, Hooker und Denslow, 2012; Schneider & Wallenburg, 2013). Soziale und ökologische Nachhaltigkeit sind im letzten Jahrzehnt für Regierungen wie für Verbraucher*innen immer wichtiger geworden, wodurch die Bedeutung von Nachhaltigkeitsstrategien in Unternehmen ebenfalls gestiegen ist (Giunipero, Hooker und Denslow, 2012).

Dem Beschaffungs- und Supply-Chain-Management kommt bei der Umsetzung einer nachhaltigen Strategie eine zentrale Aufgabe zu, denn es vermag die Werte der Organisation durch die gesamte Lieferkette zu ziehen (Yamak, Souchon & Fröhlich, 2011), indem es die Lieferant*innen eines Unternehmens über die aus den Unternehmenswerten entwickelten Anforderungen in Kenntnis setzt. Entsprechend informieren diese Lieferant*innen dann wiederum ihre eigenen Lieferant*innen und so ergibt sich eine Verbundwirkung über die gesamte Lieferkette (Yamak et al, 2011).

Ein weiterer Beleg der Bedeutung des Beschaffungswesens für nachhaltige Maßnahmen liegt in der Verantwortung, die CPOs (Chief Procurement Officers = Einkaufsleiter*innen) für Nachhaltigkeit tragen. Im Jahr 2010 bezeichneten 90 Prozent der europäischen CPOs Nachhaltigkeit als „wichtig oder wesentlich“ (Van Hoek, 2013). Darüber hinaus gaben 2013 in einer weltweiten Untersuchung, in der 1.128 CPOs großer Unternehmen befragt wurden, 61 Prozent von ihnen an, sie hätten Einfluss auf „nachhaltige oder die Umwelt betreffende Geschäftsabläufe“ (Peterson, Webber, Rosselli & Shaefer, 2013).

Wettbewerb um die besten Köpfe für das Beschaffungswesen

Eine weitere, überaus interessante Methode, die wachsende Bedeutung zu untersuchen, die Organisationen auf qualifizierte Expert*innen für Beschaffung legen, ist die Analyse der Gehaltszuwächse im Beschaffungswesen im Vergleich zu anderen Bereichen (Feisel et al, 2008). Seit einigen Jahren zahlen Unternehmen höhere Gehälter, um im Wettbewerb um die besten Köpfe hochqualifizierte Expert*innen für Beschaffung und Supply-Chain-Management zu gewinnen – ein Konflikt, der sich daraus ergibt, dass die Nachfrage nach diesen Expert*innen das Angebot übersteigt (Feisel et al, 2008). Der Gehaltsspiegel für Beschaffungsexpert*innen wies beispielsweise in den Jahren 2005 und 2006 eine Steigerung von durchschnittlich 12 Prozent auf, verglichen mit einer Steigerung von 3 bis 4 Prozent in den meisten anderen Funktionsbereichen (Feisel et al, 2008).

Eine Untersuchung der Gehaltsstruktur bei britischen Expert*innen im Beschaffungs- und Supply-Chain-Management aus dem Jahr 2014, durchgeführt vom Chartered Institute of Purchasing & Supply (CIPS), bietet weitere Einblicke in die im letzten Jahrzehnt gestiegene Bedeutung des Beschaffungswesens. Auf allen Managementebenen des Beschaffungswesens, vom Vorstand bis zum Führungskräftenachwuchs, offenbarten sich im Vergleich zu allen anderen Berufen in Großbritannien von 1995 bis 2014 starke Gehaltszuwächse. Die Gehälter der Manager*innen im Bereich Beschaffung und Supply-Chain-Management stiegen auf allen Ebenen von unter dem Landesdurchschnitt auf über den Landesdurchschnitt.

Ebenfalls im letzten Jahrzehnt beträchtlich gestiegen sind die Gehälter im Beschaffungswesen in den USA. Das Stellenangebot im Einkaufs- und Supply-Chain-Management erhöht sich seit 2001 drastisch – mit insgesamt fast 38 Prozent Zuwachs in den letzten 14 Jahren. Dies spiegelt den wachsenden Wert wider, den Unternehmen auf Beschaffung als Managementfunktion und auf das Supply-Chain-Management legen, und deckt sich mit den CIPS-Ergebnissen aus Großbritannien.

Fazit: Die Bedeutung des Beschaffungs- und Supply-Chain-Management wird weiter zunehmen

Insgesamt liefert die Analyse der Gehaltszuwächse in den USA und in Großbritannien Belege für eine immer höhere Wertschätzung des Beschaffungswesens. Vor allem die übergeordneten, strategischen Funktionen werden von Unternehmen immer höher geschätzt. Das Beschaffungswesen hat im letzten Jahrzehnt einen grundlegenden Wandel erfahren. Wie die obigen Ergebnisse erkennen lassen, ergibt sich dieser Wandel aus einer gestiegenen Wertigkeit innerhalb der Unternehmen.

Darüber hinaus hat sich dieser Bedeutungsanstieg über viele Jahrzehnte auch im letzten Jahrzehnt fortgesetzt, sodass man mit relativer Sicherheit auch von einem zukünftigen Bedeutungsanstieg des Beschaffungswesen ausgehen kann. Heute ist das Beschaffungs- und Supply-Chain-Management eher strategisch und trägt mehr zu Wettbewerbsvorteilen bei als in der Vergangenheit. Es konzentriert sich nach wie vor auf Kosten; weil aber Unternehmen heute zu einem höheren Prozentsatz ihre Kosten einkaufen als früher, sind die Vorteile der Kostenreduzierung höher.

Das Beschaffungswesen ist durch die Nutzung externer Ressourcen zur Stärkung von Innovationen außerdem stärker an der Produktentwicklung beteiligt. Die Beschaffung ist ein zentrales Werkzeug bei der Abwägung von Liefervorteilen und -risiken. Der gesteigerte Wert, den Unternehmen im Beschaffungs- und Supply-Chain-Management sehen, spiegelt sich in der gestiegenen Zahl der CPOs in den Chefetagen und in den überdurchschnittlichen Gehaltssteigerungen für Beschaffungsexpert*innen auf strategischer Ebene im letzten Jahrzehnt wider.

Man kann mit Sicherheit annehmen, dass sich das Beschaffungs- und Supply-Chain-Management zukünftig noch weiter verändern wird. Die treibenden Kräfte, die zur steigenden Bedeutung des Beschaffungswesens in der Vergangenheit beigetragen haben (Globalisierung, Technologie, Nachhaltigkeit und die Vorstellung, nach der das Beschaffungswesen heutzutage für das Management ganzer Lieferketten verantwortlich ist), beeinflussen die Geschäftswelt auch weiterhin. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, benötigen Organisationen ein proaktives, strategisch ausgerichtetes Beschaffungswesen sowie gut ausgebildete Expert*innen für Beschaffung und das Supply-Chain-Management.

Literatur:

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Über Prof. Dr. Hans Michael Rüdiger 6 Artikel
Hans Michael Rüdiger ist Professor für International Business und Supply Chain Management sowie Studiengangsleiter für den MBA General Management an der Munich Business School. Er hält einen MBA und einen MIM (Master of International Management) von der Thunderbird School of Global Management und der Arizona State University, wo er auch seinen Bachelor in Human Resource Management absolvierte. Nach Abschluss seines Studiums war Hans Michael Rüdiger als Berater und Manager in internationalen Unternehmen wie Siemens und Honeywell International tätig. Seit 2004 arbeitet er neben seiner Lehrtätigkeit als selbstständiger Unternehmensberater und ist Partner des IKO-Instituts für Interne Kundenorientierung.