Wie transportieren Onlineshops Gefühle in einer digitalen Welt?
„Die Welt wird digitaler, der Mensch bleibt emotional“.[i] Die Digitalisierung verändert nicht mehr nur die Art und Weise, wie sich der Kunde über ein Produkt informiert oder dieses erwirbt, sondern auch, wie er eine Kaufentscheidung fällt. In Anbetracht der heutzutage unermesslichen Angebotsfülle und unzähligen Onlineshops trifft der Kunde seine Entscheidung nicht mehr allein aufgrund rationaler Produktargumente, sondern fällt seine Kaufentscheidung auf der Basis eines emotionalen Produkterlebnisses; denn Emotionen bleiben die maßgeblichen Treiber für das wirtschaftliche Handeln.[ii] Der Fashion-Online-Handel tut sich naturgemäß mit der Vermittlung sinnlicher Eindrücke und Emotionen schwerer, da die menschlichen Sinne in der virtuellen Umgebung nicht im gleichen Maße wie in der realen Welt stimuliert werden können.[iii]
Lena von Linde, Bachelor-Absolventin an der MBS, hat genau diese Thematik in ihrer Bachelorarbeit analysiert und beleuchtet, ob eine emotionale Ansprache in Fashion-Onlineshops zum vermehrten Erleben positiver Emotionen führt und die Kaufkraft steigert – unter Berücksichtigung des fortschreitenden digitalen Zeitalters, der aktuell prägenden Trends und des veränderten Konsumentenverhaltens der Generation X und Y . Folgende Fragen standen dabei im Vordergrund:
- Welche Emotionen können bei den Generationen X und Y bei ausgewählten Elementen in einem Mode-Onlineshop gemessen werden?
- Wie reagieren die Generationen X und Y auf eine emotionale Ansprache im Onlineshop?
- Wird durch das Auslösen von Emotionen im Onlineshop die Kaufentscheidung der Generationen X und Y positiv beeinflusst?
Die Arbeit ist in Zusammenarbeit mit der mytheresa.com GmbH entstanden. Hier ist Lena von Linde mittlerweile Junior IT Project Manager – ein gelungener Karriereeinstieg, den Absolventen der MBS immer wieder sehr erfolgreich gehen: über die Abschlussarbeit oder Praktika in Kontakt mit einem Unternehmen kommen, Netzwerke knüpfen, Expertise beweisen und im Anschluss ein Arbeitsangebot erhalten. Lena von Linde konnte dabei von Praktika im Rahmen ihres Bachelor-Studiums unter anderem bei der Versicherungskammer Bayern, Ningbo Swell Industry Co. Ltd. in China und bei der mytheresa.com GmbH sowie von einem Auslandsstudium an der Hong Kong University profitieren. Sie ist außerdem Trägerin des MBS Special Award für herausragende Leistungen und Engagement während ihres Studiums.
Megatrends beeinflussen die Fashionindustrie
Die Fashionindustrie steht nicht nur in Konfrontation mit sich rasant ändernden Modetrends, sondern wird auch durch langfristige Megatrends geprägt. Diese Megatrends sorgen dafür, dass sich langfristig neue Lebensstile, Konsummuster, Bedürfnisse und Werthaltungen der Menschen herausbilden. Schlagwörter sind beispielsweise Digitalisierung, Gesundheit, Globalisierung oder auch demografischer Wandel.[iv] Die Digitalisierung ist die treibende Antriebskraft und verlagert den Kauf von Mode in die digitale Welt. Allerdings ist der Fashion-E-Commerce bislang sehr technisch geprägt, es fehlt der persönliche Face-to-Face-Kontakt; zudem kann die Kleidung nicht anprobiert und in der Regel auch nicht maßgeschneidert bestellt werden.[v] Drei weitere Megatrends beeinflussen zudem den Fashion-E-Commerce: Konnektivität, Individualität und Sharing Economy. Aus den Megatrends leiten sich Subtrends wie Augmented Reality, Social-Shopping, Rent-the-Runway und 3D-Fashion-Printing ab. Diese Subtrends wirken sich auf den heutigen Kundenbedarf aus, wie beispielsweise ein persönliches Einkaufserlebnis zu haben oder die Kleidung online anprobieren zu können.
Emotionen im Fashion-E-Commerce gezielt transportieren
Nach dem Emotionspsychologen C. E. Izard (1994) existieren zehn Basisemotionen, bekannt unter dem Modell „Differential Emotions Scale (DES)“, die kulturübergreifend von allen Menschen in gleicher Weise erkannt und ausgedrückt werden: Interesse, Leid, Widerwille, Freude, Zorn, Überraschung, Scham, Furcht, Verachtung und Schuldgefühl. Alle weiteren Emotionen entstehen durch die Mischung der Basisemotion.
Beim Einkaufen (online wie offline) werden Emotionen grundsätzlich durch Merkmale wie beispielsweise die jeweilige Situation, die Eigenschaften der Person und die wahrgenommenen Shop-Elemente beeinflusst.[vi]
Vier in der Bachelorarbeit ausgewählte Studien analysieren das Thema Emotionsforschung im E-Commerce aus verschiedenen psychologischen Perspektiven:
- Qualität der Webseite (z.B. Informationsreichtum, visuelle Reize, Farben)[vii]
- Persuasive Personalisierung (z.B. Erzeugen spezifischer Aufmerksamkeitszustände der Informationsverarbeitung beim Kunden)[viii]
- Soziale Präsenz (z.B. Bilder)[ix]
- Storytelling (z.B. Videos, Produktbeschreibungen)[x]
Die Studien zeigen: Je mehr positive Emotionen während eines Shopping-Vorgangs auftauchen, desto mehr Zeit wird im Shop verbracht und desto mehr Geld wird grundsätzlich ausgegeben.[xi] Positive Emotionen verbessern darüber hinaus die Kognitionen gegenüber einem Produkt oder einer Dienstleistung und sorgen dafür, dass die Benutzer Informationen schneller verarbeiten und sich schneller für den Kauf entscheiden.[xii] Sie können außerdem dazu führen, dass Kunden das Risiko ihrer Entscheidungen weniger überprüfen und dadurch mehr impulsive Käufe tätigen.[xiii] Kunden werden aber trotzdem nicht immer nur mit positiven Emotionen zum Kauf angetrieben. Die Emotion „Wut“, beispielsweise über chemische Zusätze in Kleidungsstoffen oder die Ausbeutung von Näherinnen, bringt den Kunden dazu, nachhaltiger zu konsumieren.[xiv] Es werden bei unterschiedlichen Personen aber nicht zwingend die gleichen Emotionen ausgelöst. Was bei dem einen Freude hervorruft, wird bei jemand anderem möglicherweise Ärger auslösen.[xv] Emotionen im Onlineshop zu erzeugen ist zudem teuer, denn Emotionen brauchen mehr als Texte und Bilder.[xvi]
Die Generationen X und Y unterscheiden sich
Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang mögliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Generationen. Im Fall der Bachelorarbeit von Lena von Linde wurden aufgrund der großen Kaufkraft im Internet und der großen Bevölkerungsanteile in Deutschland gezielt die Generation X (Geburtsjahrgänge 1960 – 1979) und die Generation Y (Geburtsjahrgänge 1980 –2000) betrachtet. Die nachfolgende Grafik zeigt exemplarisch eine Zusammenschau der unterschiedlichen Kundenprofile der Generationen X und Y auf.
Die Generation X kam erst im Laufe ihres Lebens mit dem Internet in Berührung. Obwohl der Umgang mit dem Internet erst gelernt werden musste, sind Mitglieder der Generation X mit dem Internet vertraut und nutzen es regelmäßig. Für sie stellt Online-Shopping Bequemlichkeit oder aufgrund der monetären Vorteile ein Mittel zum Zweck dar. Die Generation X kauft hauptsächlich über den Desktop ein und wird über Newsletter, Bewertungen und/oder Suchmaschinen (z. B. Google) angesprochen. Die Generation Y ist die erste Generation, die von klein auf mit der neuen Technik des digitalen Zeitalters aufgewachsen ist. Das Internet ist ihr ständiger Begleiter, zudem sind ihre Mitglieder sehr konsumorientiert und anspruchsvoll in Bezug auf Online-Shopping. Die Generation Y kauft hauptsächlich über den Desktop und das Smartphone ein und wird über soziale Netzwerke (z. B. Instagram) oder Google angesprochen.[xvii]
Der praktische Teil der Arbeit – eine Studie, an der 221 Probanden der Generation X und 343 Probanden der Generation Y teilnahmen – setzte genau an dieser Stelle an: Sie ergab, dass die Generationen X und Y Emotionen im Onlineshop empfinden. Eine emotionale Ansprache im Onlineshop ruft bei der Generation X durchaus positive Emotionen hervor, aber gleichzeitig auch neutrale und negative. Am positivsten reagieren Mitglieder der Generation X auf emotionales Design, Bilder und Farbgebung. Sie treffen ihre Kaufentscheidung auf der Grundlage von rationalen Produktargumenten. Nichtsdestotrotz lässt sich die Generation X durch einen emotional gestalteten Onlineshop eher zum Kauf verleiten als durch einen nicht-emotional gestalteten. Andererseits wurde festgestellt, dass die Generation Y bei einer emotionalen Ansprache im Onlineshop weitgehend positive Emotionen empfindet. Die Generation Y reagiert am emotional positivsten auf Bilder, Design und Beschreibung. Sie fällt ihre Kaufentscheidung auf der Basis eines emotionalen Produkterlebnisses, lässt sich durch eine emotionale Ansprache zum Kauf verleiten und reagiert kaum auf eine nicht-emotionale Ansprache.
[i] Jost, S. (2015). Vortrag auf: BTE-Kongress Fashion-Emotion 3.0: Emotionalisierung des Modehandels in einer digitalen Welt, Köln. Aufgerufen von: http://www.handelsverband-nrw.de/wp-content/uploads/2015/05/Folder_-Fashion-Emotion-3.0_digital.pdf am 28.12.2016.
[ii] Ternès, A., Towers, I., & Jerusel, M. (2015). Konsumentenverhalten im Zeitalter der Digitalisierung: Trends: E-Commerce, M-Commerce und Connected Retail. Wiesbaden: Springer-Verlag.
[iii] Kilian, T. & Langner, S. (2010). Online-Kommunikation – Kunden zielsicher verführen und beeinflussen. Wiesbaden: Gabler Verlag.
[iv] NAISBITT, J. (1984): Megatrends. 10 Perspektiven die unser Leben verändern werden. Bayreuth: Hestia Verlag.
[v] Leisenberg (2014). Emotional Commerce – Differenzierung und Kundenbindung auf Gefühlsebene. Abgerufen von: http://www.leisenberg.info/2014/08/31/emotional-commerce-differenzierung-und-kundenbindung-auf-gefuehlsebene am 12.01.2017.
[vi] EResult (2009). Drei Dinge auf einmal – gut bedienbar, nützlich, erlebnisreich – nötig, machbar, sinnvoll? Abgerufen von http://www.eresult.de/fileadmin/Downloads/downloads/OMS%20CAP%20SES%202012%2010%20Berlin%20eResult.pdf am 08.01.2017.
[vii] Éthier, J., Hadaya, P., Talbot, J., & Cadieux, J. (2006). B2C web site quality and emotions during online shopping episodes: An empirical study. Information & Management, No. 43(5).
[viii] Saari, T., Ravaja, N., Laarni, J., Turpeinen, M. & Kallinen, K. (2004). Psychologically targeted persuasive advertising and product information in e-commerce. In: Proceedings of the 6th international conference on Electronic commerce. ACM.
[ix] Hassanein, K., & Head, M. (2007). Manipulating perceived social presence through the web interface and its impact on attitude towards online shopping. International Journal of Human-Computer Studies, No. 65(8).
[x] Huck-Sandhu, S. (2014). Corporate Messages entwickeln und steuern: Agenda Setting, Framing, Storytelling. In: Zerfaß, A. & Piwinger, M. (Hrsg.): Handbuch Unternehmenskommunikation. Strategie. Management. Wertschöpfung. 2.Aufl. Wiesbaden.
[xi] Jones, M.A. (1999). Entertaining shopping experiences – an exploratory investigation. Journal of Retailing and Consumer Services. No. 6.
[xii] Lynch, P.D., Kent, R.J. & Srinivasan, S.S. (2001). The global internet shopper: Evidence from shopping tasks in twelve countries. Journal of Advertising Research. No. 41.
[xiii] Isen, A.M. (2000). Positive affect and decision making. In Lewis, M., & Haviland-Jones, J.M. (Eds.), Handbook of emotions (2nd ed.). New York, USA: Guilford. Press.
[xiv] Grötsch, C. (2014). Viele Wege führen zur Emotionalen Kundenansprache. Abgerufen von http://www.handelskraft.de/2014/03/viele-wege-fuhren-zur-emotionalen-kundenansprache/ am 08.01.2017.
[xv] Mau, G. (2009). Die Bedeutung der Emotionen beim Besuch von Onlineshops. Wiesbaden: Springer Fachmedien.
[xvi] Pispers, R. & Dabrowski, J. (2011). Neuromarketing im Internet: erfolgreiche und gehirngerechte Kundenansprache im E-Commerce. Planegg: Haufe-Lexware.
[xvii] Lissitsa, S. & Kol, O. (2016). Generation X vs. Generation Y – A decade of online shopping. Elsevier. Journal of Retailing and Consumer Services.